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[   Band 7 Brief 86:    Humboldt an Caroline    Tegel, 22. August 1823   ]


schuld ist. Meine, denke ich, sollst Du alle empfangen haben.
Ich habe Dir eigentlich viel geschrieben und Dir, armem Kinde,
viel Mühe mit dem Entziffern der kleinen Hand gemacht. Allein,
es ist so eine süße Beschäftigung, mit Dir zu reden, und ich denke,
daß meine Briefe doch auch in etwas den einförmigen Badeennui
brechen.
Wir haben heute Nachricht von Adelchen gehabt. Sie mel-
det sich auf Montag nachmittag in Berlin an. Ich freue mich
unendlich, das liebe Kind zu sehen.
Der Bau ist in diesen Tagen sehr vorgerückt. Ich bin gestern
nacht noch nach ein Uhr um das Haus herumgegangen, es im
Mondschein zu sehen. Die Schatten der vielen Ecken und Vor-
sprünge und die helle Weiße dabei machen sich sehr gut. Du
wirst über mich lachen, mein süßes Kind, daß ich mich so mit
unserm eigenen Hause amüsiere. Aber ich kann nicht leugnen, daß
ich es sehr gern habe.

                                                          Den 24.
Flemming und Boisdeslandes haben heut hier gegessen. Ich
war mit ihnen beiden am Nachmittag spazieren gegangen und
wir hatten uns lange Zeit hingesetzt. Als wir etwas nach 6 uns
wieder dem Hause näherten, sahen wir einen fremden Wagen
stehen. Indes war alles im Hause sehr still, und Gabriele erst
nicht einmal zu finden. Endlich entdeckten wir sie in der Partie,
und wer zeigte sich an ihrer Seite? Bettina! *) Sie ist auf
einige Tage oder Wochen in Berlin und war mit Franz Savigny **)
herausgefahren. Sie sieht recht wohl aus und ordentlich embelliert.
Sie hatte mit Gabrielen das ganze Haus besehn, und es schien
ihr wirlich recht sehr gefallen zu haben. Mit mir hat sie ihre Art

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*) Bettina v. Arnim, geb. Brentano, geb. 1785, † 1859.
**) Sohn des berühmten Rechtsgelehrten und der Schwester der Bettina
Brentano.

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