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[ Band 7 Brief 73: Humboldt an Caroline Ottmachau, 21. Julius 1823 ]
Sommerfeld, der Bürgermeister, Menzel Vater und Sohn und Pohl. Es wird Dir nun wunderbar scheinen, wie das Amüsement sein kann. Wir hatten aber bisher nie den Bürgermeister genug ergründet. Das ist eigentlich der fond des Amüsements in Ott- machau. Er weiß von allem, nimmt, wenn man ihn nur machen läßt, das Wort ganz allein, ist bissig gegen alle Leute und in sich zufrieden wie ein Gott. Er hat den Präsidentenstock noch gekannt. Unser Haus soll im 17. Jahrhundert gebaut sein. Nach Tisch habe ich die Leute auf das Bier gebracht, und da hättest Du nur die Lebendigkeit sehen sollen. Sie sprachen alle auf einmal, jeder lobte ein anderes Bier, aber alle klagten, daß es nicht mehr so gut sei als ehemals. Von dem ehemaligen Bier sprachen sie wie von einer entführten Geliebten. Vor allem aber jammerte der Bürgermeister, daß er aus Liebe zu den Bürgern gar das viel schlechtere Stadtbier trinken müsse und nicht von unserm nehmen dürfe. Den Major habe ich heute studiert, ohne ihn aber viel zu Worte kommen zu lassen. Eine recht lange und recht langweilige Geschichte habe ich ihn ganz auserzählen lassen und ordentlich zugehört, damit er seine διχη *) hätte. Aber dann habe ich ihn immer kupiert. Ich habe aber herausgebracht, daß er ganz eine Kinderwärternatur angenommen hat. Er hat wirklich ganz weibliche Manieren. Ich habe heute etwas sehr Hübsches in dem »Bhagavad Gita«, dem Sanskritgedicht, das ich jetzt lese, gefunden, wobei ich sehr an Karlsbad gedacht habe. Du weißt, es ist ein großes Gespräch zwischen einem Helden und einem zum Menschen gewordenen Gott über die göttliche Natur. Da kommt auch vor, daß es einen eigenen Geist gibt, der seinen Sitz in den Eingeweiden hat und sich um nichts anderes bekümmert, als daß der Mensch gute Öffnung hat. Er heißt apana. Es ist wirklich eine himmlische ——— *) Recht. 133