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[   Band 7 Brief 69:    Humboldt an Caroline    Burgörner, 7. November 1822   ]


es ist sehr, sehr hübsch hier. Ewiger Sonnenschein, der nur gestern
zum erstenmal etwas unterbrochen war, und eine Stille, von der
man keinen Begriff hat.
Deinen lieben Brief vom 2. habe ich gestern früh bekommen.
Daß Du doch wieder hast den Krampf haben müssen, schmerzt
mich sehr, und da er fünf Stunden gedauert, ist er doch wieder
sehr lang gewesen. Rust versicherte ja in meiner Gegenwart, daß
er Dir etwas geben würde, was den Anfall gleich höbe, daß er
nur dafür nicht einstehen könnte, daß er sich nicht zeigte. Du hast
sehr recht getan, ihm gleich alles, wie es gewesen ist, zu schreiben.
Ich hoffe doch, der Kanzler bleibt nicht länger als der König in
Italien. So einen gesuchten Arzt mit sich zu schleppen, ist wirklich
eine große Indiskretion gegen das Publikum. Man muß sein
Leben für sehr wichtig halten.
Alexander wird eine Epoche des Winters bei uns sehr bunt
machen, denn er ist immer mit hunderttausend Menschen in Be-
wegung. Aber wovor ich mich im voraus fürchte, sind die Höfe.
Bei einem kurzen Aufenthalt und im Getümmel des Winters ist
das ein wahres Kreuz.
Es freut mich, wenn Du, beste Li, meine Briefe amüsant
findest. Ich weiß eigentlich nur, daß ich immer amüsabel bin,
und so finde ich auch hier ganz allein oft Stoff zum Lachen.
Überhaupt, dünkt mich, gibt es nichts Leichteres in der Welt, als
sich zu amüsieren. Es ist eigentlich alles amüsant in der Welt,
was nicht geradezu traurig ist, man braucht nur hineinzusehen, den
Eindruck zu empfangen und zurückzugeben.
Madame Pflaume war denn mit dem Gemahl *) hier, ich
denke Dienstag. Sie hat mich nicht besucht, und ich habe mich
auch in Entfernung gehalten. Aber da sie den Nachmittag weg-
fahren wollte, habe ich meinen kleinen Dollond auf die Vergröße-

———
*) Neuer Amtmann in Burgörner.

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