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[ Band 7 Brief 60: Humboldt an Caroline Burgörner, 16. April 1822 ]
Mit den Hühnern habe ich auch große Taten gemacht. Ich schrieb Dir, daß sie nur 6 Silbergroschen kosteten, bald darauf steigerten mich die Leute auf 8 Silbergroschen, und nach wenigen Tagen wollten sie 10. Da versicherte ich aber, wie Reinecke Fuchs, ich hätte mir alles Hühnerfleisch abgewöhnt, und aß eine Woche keine. Nun sind sie auf 7 Silbergroschen zurückgekommen. So erzähle ich Dir alle meine Promessen. Deine Briefe sind viel amüsanter, teure Seele, aber Du mußt mit dem Schreiben aus der Einsamkeit schon Nachsicht haben. . . . Überhaupt bin ich mit Träumen hier wundersam. Ich habe zwei Nächte mit einer dem wachenden Zustande ähnlichen Lebendigkeit geträumt, daß ich eine lange Unterredung mit dem Staatskanzler hatte, und mein erster Gedanke beim Erwachen war, daß ein Mensch doch sehr viel Verstand haben müsse, der auch im Traum so vernünftig spräche, worüber ich hernach bei mir wirklich im Bett lachen mußte. Nur von Dir habe ich noch gar nicht träumen können. Du hast vielleicht ganz recht. Der Mensch muß nicht zu viel Amüsement haben, und die Erziehung tut einem immer noch gut, und ich bin gern gehorsam gegen das liebe Kind. Ich stelle wirklich manchmal recht ernsthafte Betrachtungen darüber an, wie ich es überhaupt nicht lassen kann, die Dinge immer zu- gleich scherzhaft und wieder sehr, sehr ernsthaft zu nehmen. Es ist eigen, wie jeder Mensch so seine eigene Weise hat, die ihn, wenn er wirklich innere Kraft und Gehalt hat, niemals verläßt. Aber es ist schon sehr viel gewonnen, wenn er nur nicht seine Weise gerade für die beste hält und geltend machen will, wenn er sie gern und völlig unterordnet und sich mit Liebe und stiller Würdigung an das Höhere und Bessere anschließt. Was hast Du zu Schön *) gesagt? Mir fällt fast bei allem, ——— *) Heinr. Theod. v. Schön, geb. 1773, † 1856, Oberpräsident von West- preußen 1816, von ganz Preußen 1824. 105