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[ Band 7 Brief 49: Humboldt an Caroline Tegel, 12. Oktober 1821 ]
Du hast mir ordentlich gestern weh gemacht, und mein Entschluß fing mir schon an, leid zu tun. Aber Du glaubst nicht, liebe Seele, es ist wirklich keine Affektation, wie viel mehr ich mich in mir selbst fühle, wenn ich alle Tage eine freie Natur, wenn auch nicht gerade eine schöne, sehe, wenn ich jeden Augenblick darin sein kann, und wenn mich die Stille umgibt, die man in der Stadt nie hat. Du fehlst mir freilich hier, aber ich sehe ein, daß Du ganz recht hast und daß unser Wohnen in der Stadt jetzt vernünftiger und besser ist. Also ist so eine Abwechselung das beste Ausgleichungs- mittel, und Du kannst sicher sein, daß ich es nie zu arg machen werde. Du weißt ja, süße Seele, wie unendlich gern ich bei Dir bin. August und Adelchen kommen Freitag abend zu Dir zurück. Nachher, wenn das Wetter günstig ist, sehe ich wohl Dich und die liebe Caroline auch hier. Ein paar Tage lang täte Dir die Luft gewiß wohl, und mit Carolinen allein hast du vollkommen Platz zum Wohnen. 50. Humboldt an Caroline Tegel, 14. Oktober 1821 Du kannst nicht glauben, süße Li, welch göttliches Wetter es heute ist. Wir kommen eben von einem langen Spazier- gang zurück. Die himmlischste Sonne. Ich habe mich gleich nach Tisch »auf meines Daches Zinnen« ausgestreckt, um mich zu sonnen. Der Zink war wie ein mäßig geheizter Ofen. Mit dem Bau geht es nur langsam vorwärts. Im Flur kannelliert man die Säulen. Sie machen es aus freier Hand mit dem Hobel, was im Gips gar nicht fleckt. Die innere Treppe wird nun gemauert, und die Wölbungen werden bald fertig sein. Gestern abend haben wir beim Tee den Corsaren *) gelesen. ——— *) Byrons bekannte Romanze, um 1813 gedichtet. 91