< zurück Inhalt vor >
[ Band 7 Brief 48: Caroline an Humboldt Teplitz, 29. Juli 1821 ]
Ich habe Dich, mein Herz, auf der Galerie in Gedanken begleitet, bin mit Dir vor der Madonna von Rafael, vor der von Correggio mit den 4 Heiligen um den Thron und vor der von Holbein in der äußeren Galerie gestanden, die auch nicht minder wie jene ein Wunder innerer Anschauung und äußeren Ver- mögens der Darstellung ist. Welche Huld, welches menschliche und doch göttliche Erbarmen und Milde ist in diesem Kopf der Muttergottes! Wenn Hermann bei Dir ist, wie ich es hoffe, so umarme ihn. Ewig Dein. ——— In Burgörner, wo Caroline am 6. August eintraf, vereinigten sich so viele Häupter, daß es nur bei der damaligen Anspruchlosigkeit an Unter- kunft begreiflich wird, wie so viel Menschen in dem doch nicht sehr großen Hause untergebracht werden konnten. Hedemanns erwarteten die Eltern, Theodors kamen, Hermann mit zwei Pensionsfreunden, Hedemanns Mutter, Schwester und Schwager, Kohlrausch, Rauch mit Tochter, eine Cousine Frau von Humboldts, Frau von Bennigsen mit Tochter und deren Schwester Frau von Itzenplitz mit zwei Töchtern. Frau von Humboldt aber war nie glücklicher, als wenn sie ihre Gast- freundschaft unbeschränkt ausüben konnte, und kannte keine Mühe und keine Schwierigkeit, wenn es galt, Verwandten oder lieben Freunden eine Freude zu machen. Viel zu schnell war ihr die schöne Zeit vergangen, als Ende August alles auseinanderstiebt und sie selbst Mitte September nach Berlin gehen muß, um dort den Umzug nach der Französischen Straße zu besorgen. Humboldt war unterdessen in Tegel, wo der Bau langsam fortschritt. Frau von Humboldt kam hin und wieder auf einen Tag heraus und Humboldt schrieb täglich: 49. Humboldt an Caroline Tegel, 12. Oktober 1821 Liebe, süße Li, wir haben gestern ein sehr hübsches Heraus- fahren gehabt. Es war der göttlichste Mondschein und eine gar nicht kalte Luft. Heute ist das göttlichste Wetter, und ich schreibe diese Zeilen bei offenem Fenster. Wie geht es Dir, bestes Kind? Sei mir nur nicht böse. 90