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[   Band 7 Brief 40:    Humboldt an Caroline    Ottmachau,  20. Junius 1821   ]


Du bist sehr gut und lieb, süße Seele, daß du mich vor der
Brücke warnst. Jetzt behütet mich der Himmel von selbst vor aller
Gefährlichkeit auf Wegen und Brücken, und ich riskiere höchstens,
mir auf den ebenen Dielen ein Bein zu brechen, was auch schwerlich
geschehen wird, da ich wenig Sprünge mache, sondern meist fest
an meinem Tisch sitze. Seit der Kinder Abreise habe ich nicht
einmal die Treppe betreten. Was soll man bei solchem Wetter
ausgehen oder fahren? Bewegung brauche ich nicht, Luft kann ich
entbehren, und so sitze ich denn, wie der Prinz Pipi über mir
allein, zerbreche aber auch kein kristallen Schloß, sondern bin herzlich
froh, wenn nur die ganz bürgerlich und prosaisch gebauten stehen
bleiben wollen. Sobald aber warme Sonne ist, will ich mich wieder
ins Freie begeben und es dann recht genießen.


41. Caroline an Humboldt                   Karlsbad, 22. Juni 1821

Zu Deinem Geburtstage, der heute ist, wirst Du denn also
wohl allein sein, mein teuerstes Leben? Wann wird das
Jahr kommen, wo wir ihn wieder zusammen feiern werden
und diese fatalen Badereisen aufhören? Meine ganze Seele ist
in liebevollen Gedanken bei Dir, und ich bitte Dich recht in Deinem
tiefsten Gemüt zu wissen, wie ich Deine unausgesetzte Liebe und
Nachsicht in meinem Herzen empfinde und trage. Der Himmel
erhalte Dir ferner Deine teure Gesundheit und den klaren, hohen
und zugleich so stillen Sinn, mit dem man von Dir mehr wie von
einem mir bekannten Menschen sagen kann, daß er über den Er-
eignissen steht, die das Schicksal bringen kann.
Carolinchen, die mir in der Tat eine unaussprechlich liebe und
aufheiternde Begleiterin ist und deren liebevolle Tätigkeit sich um
die einsam stehende Mutter verdoppelt hat, legt dies Blättchen bei.

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