< zurück      Inhalt      vor >                                          
[   Band 7 Brief 34:    Humboldt an Caroline    Reichenbach, 12. August 1820   ]


34. Humboldt an Caroline             Reichenbach, 12. August 1820

Ich habe Dir vorgestern aus Ottmachau geschrieben, liebe
Li, und tue es nun heute wieder, weil es so hübsch ist,
Dir wenigstens einige Worte zu sagen, und Du so doch
auch erfährst, daß ich wirklich fortgekommen bin. Ich bin um 4
abgereist und um 1/2 11 hier gewesen. Ich glaubte Prinz Wil-
helm *) bei Stolbergs heute morgen zu finden und fuhr deshalb so
früh aus. Allein nach einem Zettel, den ich hier vorfinde, ist
Prinz Wilhelm erst gestern abend in Fürstenstein bei Prinzessin
Luise erwartet worden und wird erst morgen früh hier durchkommen,
um nach Landeck zu gehen. Ich würde nun geradezu nach Fürsten-
stein noch heute gefahren sein, aber ich wünschte Stolberg zu sprechen,
und dieser kommt erst heute abend von dort zurück. Ich muß also
den Tag wider meinen Willen hier zubringen, was keine angenehme
Partie ist.
Es ist das himmlischste Wetter, das man sich denken kann,
warm und, wenigstens für mich, nicht übermäßig heiß.
Ich freue mich unendlich, daß ich Dir jetzt doch mit jedem Tage
näher komme. Ich entginge sehr gern dem Besuch bei der Prin-
zessin und Gneisenau, allein Du siehst, liebes Herz, daß es un-
möglich ist. Die Prinzessin ist immer so freundschaftlich und gut-
gesinnt, daß man ihr so etwas, woran sie wirklich Freude hat,
weil sie sehr gesellschaftlich ist, nicht abschlagen kann. Gneisenau
vorüberzugehen wäre auch nicht gut. Man muß nichts unterlassen,
was einen mit ihm näher bringen kann. Dazwischen stoße ich nun
auch noch auf den armen Geßler. Wie kurz oder lang dies alles
mich aufhalten kann, läßt sich jetzt noch nicht bestimmen. Aber
morgen über 8 Tage ist immer der späteste Tag, wo ich Dich,
inniggeliebte Seele, umarme.

———
*) Nachmaliger Kaiser Wilhelm I.

                                                                       69