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[ Band 7 Brief 32: Caroline an Humboldt Burgörner, 3. August 1820 ]
sehen sehr empfahl, für ein Bild von Herlin *), einem Maler aus Nördlingen in Schwaben, ich glaube aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts, hält. Dieses Bild stellt eine Anbetung der Könige vor, und ist besonders schön durch die Perspektive der Landschaft. Das eine der beiden anderen von Cranach, was eine Kreuzigung mit vielen kleinen Nebenbildern auf den Seitenflügeln enthält, war mir beinah noch lieber, weil viele interessante Porträtköpfe darauf vor- gestellt waren. Wir genossen auf dem Schloßberge einer sehr lieblichen Aus- sicht. Das Wetter hat sich nämlich seit dem 30. in Dresden zum Besseren verändert, und es ward auf einmal sehr warm. Den 3., wo wir Leipzig erreichten, war es wirklich in den Mittagsstunden auffallend und drückend heiß. Meine Verwunderung war nicht gering zu vernehmen, daß es hier ebenso trockenes Wetter gewesen, als wir Juni und Julius nasses in Karlsbad und Teplitz gehabt haben. Hier seufzt alles nach Regen. Alles steht dürr und halb vertrocknet. Der Weizen hat sich leidlich gehalten, allein der Roggen ist nicht an Höhe und Länge der Ähren, was er gewöhnlich in der hiesigen Flur ist. Für Gerste und Hafer hofft man nur noch immer Regen. So werden die Gaben des Himmels ungleich verteilt. Dunkern fand ich hier unverändert. Hermann mit seinen Genossen kam erst 1/2 10 Uhr abends, allein wohlbehalten, an. Er ist sehr wohl, sehr heiter und recht artig. Ich habe hier die Ausstattung für Gabriellchen angefangen. Ich finde nämlich einige Stücke Leinwand, die Dunker mir teils hat machen lassen, teils gekauft hat, und wir haben schon heut, die Kammerjungfer und ich, die ersten 6 Paar Leintücher zugeschnitten. Alle Nachrichten, die du mir über Ottmachau schreibst, sind ——— *) Friedrich Herlin, Maler, war um 1462 in Nördlingen und starb dort um 1500. Das Bild gilt jetzt als Werk eines deutschen Malers, unter niederländischem Einfluß um 1520 gemalt. 66