< zurück      Inhalt      vor >                                          
[   Band 7 Brief 28:    Humboldt an Caroline    Ottmachau, 20. Julius 1820   ]


noch für die herumschweifenden Kinder da ist, und daß die Erde
den Weizen Dir und mir bringt.
Leb wohl, geliebteste Seele.


29. Humboldt an Caroline                     Ottmachau, 23. Julius 1820

Über die Länge meines Aufenthalts kann ich zwar noch
nichts bestimmen, aber es kann sein, daß er sich sehr
abkürzt. Die Regierung in Oppeln ist sehr artig gegen
mich gewesen und hat mir das Kommen nach Oppeln ganz erspart.
Der Regierungsdirektor ist mit dem Departementsrat selbst her-
gekommen und dies wird allerdings die Sache sehr abkürzen.
Wenn mich nicht alle meine Rechnungen trügen, so machen wir
eine sehr schöne Akquisition und so werden diese Besitzungen ein
wahrer Schatz für die Kinder . . .
Von Berlin und der Welt erfahre ich hier gar nichts. Heute
habe ich die erste Zeitung seit Berlin gesehn. Du liesest doch
wohl auch die Artikel über die Königin von England *). Die
gegen sie eingebrachte Bill ist doch das Schrecklichste, was eine
Frau gezwungen sein kann, über sich ergehen zu lassen, und ich
zweifle nicht, daß die Bill durchgeht. Es zeigt aber auch dies
die Gemeinheit unserer Zeit. So eine wirklich einzig wunderbare
Begebenheit gäbe kaum zu einem Drama Stoff. Es beginnt mit
einem gemeinen Ehebruch und endigt mit einer bürgerlichen Pension.
Es ist hier ein kleines, schlechtes Lusthäuschen, aber mit sehr
weiter und freundlicher Aussicht, in das ich einige Male am Morgen
gleich nach dem Aufstehn, so um 6 Uhr, gegangen bin, um bis

———
*) Bezieht sich auf den skandalösen Ehescheidungsprozeß, den Georg IV.
gegen seine Gemahlin, Prinzessin Caroline von Braunschweig, eingeleitet
hatte.

                                                                       59