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[   Band 7 Brief 26:    Humboldt an Caroline    Reichenbach, 18. Julius 1820   ]


26. Humboldt an Caroline                     Reichenbach, 18. Julius 1820

Ich bin vor einer Stunde hier angekommen und schreibe
Dir gleich, liebe Li, weil ich höre, daß die Post heute
abend abgeht. Du mußt mehrere Briefe von mir von
hier aus haben, die ich Dir im Jahre 13 schrieb. Daß ich Dir
jetzt wieder von hier so schreibe, ist recht wunderbar. Ohne 13
reiste ich jetzt nicht hier, wer aber konnte damals das voraussehen.
Indes erinnere ich mich ewig, daß ich das alles Dir verdanke.
Denn Du hast mir eigentlich damals zugeredet, vorzuschlagen, daß
man mich kommen ließe. Ich hätte es, nach meinem System, die
Dinge immer von selbst kommen zu lassen, wenigstens damals nicht
getan, und auf den Zeitpunkt kommt bei solchen Umständen alles
an. An dies eine Gehen ins Hauptquartier knüpfte sich alles.
Ich erinnere mich noch wie heute, daß, als ich einmal mit Stadion *)
auf dem Markt herumging, an dem ich jetzt wieder wohne, und ich
so sagte: »werden die Franzosen wohl auch wieder auf diesem
Markte herumgehen?«, er mir antwortete: »wenn Sie nicht unsere
vier Bedingungen annehmen.« Es gab damals gewisse berühmte
vier Bedingungen, die ich längst vergessen habe. Wir haben sie
nicht angenommen, und die Franzosen sind doch fern geblieben.
So wird alles anders als man denkt. Damals schien Stadion sehr
recht zu haben, obgleich ich auch damals ihm innerlich nicht
glaubte. Nur ließ sich nicht streiten und nicht überzeugen. Dazu
waren die Sachen nicht angetan.
Am 16. also reiste ich früh um 1/2 4 ab. Ich hatte den letzten
Tag noch mit den lieben Kindern allein gegessen und den Abend
Tee getrunken. Ich wollte bei Wißmanns **) in Frankfurt essen,

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*) Graf Stadion, geb. 1763, † 1824, österreichischer Staatsminister.
Vgl. Bd. IV, S. 27.
**) Regierungspräsident.

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