< zurück      Inhalt      vor >                                          
[   Band 7 Brief 15:    Humboldt an Caroline    Tegel, 19. Junius 1820   ]


darauf. Wenn ich so Deine Gesundheit bedenke, seit ich Dich
kenne, so hat sie eigentlich zugenommen. Du hast in verschiedenen
Epochen des Lebens sehr bedenkliche Zustände gehabt, ehe ich Dich
heiratete, in Wien und Paris, nachher in Berlin, und nicht so-
wohl einzelne gefährliche Krankheiten, als wirkliche Krankheitszu-
stände, und immer bist Du gesünder und stärker herausgekommen.
Wenn, wie ich nicht daran zweifle, Weigel Deinen jetzigen Zu-
stand richtig beurteilt, so scheint mir jetzt die Beschaffenheit der
böhmischen Bäder und die Nähe eines guten Arztes heilverspre-
chender für Dich als ein warmes Klima. Ich glaube, daß Du,
wenn Du noch einmal die Bäder brauchst, so hergestellt sein wirst,
daß gerade dann ein neuer Aufenthalt in Italien besser und wirk-
lich ratsam wird. Im Jahre 1822 also, denke ich, könnten wir
wohl hingehen. Daß wir es überhaupt tun, dafür bin ich sehr,
und dann solche Einrichtungen treffen, daß wir sehr lange bleiben
können. Ob wir aber ein Jahr früher oder später gehen, halte ich
für ziemlich gleichgültig. Ich habe das große, und bei der Unge-
wißheit des Todes gewiß sehr richtige Prinzip, daß das Leben
von jedem Punkt aus immer gleich lang ist, und die Kraft des
Genusses und die Freude daran nimmt zu. Das Wissen, was
man genießt, und auch das Vergessen, daß man es weiß, wachsen
beide und durchdringen sich inniger. Mit den Kindern lasse ich
schon jetzt manchmal ein Wort fallen, obgleich noch sehr leise.
Nur, daß man doch gewiß wieder nach Rom käme, und so. Es
ist doch besser, wenn sie eine solche Reise gewissermaßen nicht
als unmöglich ansehen. Darin ist August sogar sehr vernünftig,
daß er sich ordentlich davor fürchtet, daß mir wieder Anträge ge-
schehen könnten, Geschäfte anzunehmen. Das wird aber auch von
selbst nicht geschehen. Das ist ein Schicksal, das nur denen be-
gegnet, die es selbst, auch auf noch so undenkliche Weise, hervor-
rufen. Wer unbefangen in dem Genuß seiner Unbefangenheit

                                                                       32