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[ Band 7 Brief 15: Humboldt an Caroline Tegel, 19. Junius 1820 ]
Das meiste davon liegt natürlich in der tiefen inneren und eigen- tümlichen Anlage, ist eine Gabe der Götter, aber einiges tut auch das Leben in der frühen Jugend. Wenn, wie bei unsern Kindern, das Leben in stiller Einfachheit, von immer gleicher Liebe getragen, hinrollt, die Welle sich so an nichts bricht, entwickelt sich manches in Geist und Charakter gar nicht oder nicht so vollkommen, und anderes schlummert immerfort. Du, armes Kind, hast mit viel heterogeneren Menschen leben müssen, die Kindheit ist da, wie sonst das Leben nachher, wenn auch im kleinen, man gewinnt, weil einen das Äußere abstößt, mehr Einsamkeit in sich, und aus der sprießt doch eigentlich alles Höhere, Bessere und Kräftigere auf. Ich bedaure Dich, arme, gute Li, wirklich jetzt recht von Herzen, daß Du in Karlsbad sein mußt. Du würdest gewiß hier viel lieber sein. Es wird Dir gewiß hier gefallen, wie es Dir vor Jahren gefiel. Die Gegend, wenn man einmal nicht mehr von ihr verlangt, als sie leisten kann, ist sehr leidlich und gewährt einem wenigstens das, einen, wenn man draußen ist, angenehm und nicht störend zu umgeben. Überhaupt bleibt doch die Natur immer Natur, und ein einzelner Baum, wo er stehen mag, wenn er groß und reich in Zweigen ist, ist wie eine kleine Welt, das Wasser im See ist doch auch das Wasser im Meer, und der Himmel und die Gestirne überall. Dieser Reiz der Natur, als einer Natur, bleibt in jeder nur irgend nicht ganz kahlen Gegend derselbe, und ich leugne es nicht, daß er vorzüglich mich immer und überall un- endlich angezogen hat. Man wird dessen nie müde, vielmehr nimmt er zu, je längere Zeit man bei den nämlichen Gegenständen verweilt, je mehr man die Wechsel des Jahres an ihnen vorüber- gehen sieht. Das künftige, glaube ich, werden wir auf jeden Fall noch hier bleiben müssen. Deine Gesundheit, geliebtes Wesen, möchte ich doch gern ganz wiederhergestellt sehen, und ich halte es nicht nur für möglich, sondern rechne mit einer Art Gewißheit 31