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[   Band 7 Brief 12:    Humboldt an Caroline    Tegel, 9. Junius 1820   ]


Von Flemming *) habe ich nach langer Unterbrechung einen
Brief gehabt. Seine Absicht bei dem Brief ist eigentlich, daß ich
seinen Geldverlegenheiten durch meinen Einfluß zu Hilfe kommen
soll. Denn sein Brief ist vom 12. Januar, und da hielt man
mich in Amerika noch für einen Mann, der zu Zulagen verhelfen
konnte.
Ich schrieb Dir neulich von Bernhardis Tod. Er hat seinen
Tod auf eine wunderbare Weise vorher geträumt, und die Ge-
schichte ist, wie ich von mehreren weiß, zuverlässig. Gleich als
er um Ostern krank wurde, träumte er, er ginge unter den Linden
spazieren, es käme ein Sturm, und in dem Bewegen der Bäume
fiele ein Blatt vor seine Füße nieder. Er nahm es im Traume
auf, und fand, daß es eine Berliner Zeitung war, in welcher er-
zählt stand, daß er am 4. Junius begraben worden sei. Er hat
den Traum gleich erzählt, und man wußte die Geschichte schon
selbst in der Stadt vor seinem Tode. Nachher träumte er noch
einmal, daß er am 2. Junius bestimmt sterben würde, und sagte
es auch. Beides ist pünktlich eingetroffen. Es ist doch sehr
wunderbar. 


13. Caroline an Humboldt                 Karlsbad, 12. Juni 1820

Ich habe Deinen lieben Brief vom 2. dieses Monats
richtig bekommen, teures, liebstes Herz. Unsere Kur
schreitet unter den ungünstigsten Umständen hier vor. Es
ist ein wahres guignon mit dem Wetter. Seit gestern regnet es
nicht mehr unaufhörlich, aber es ist kalt und unfreundlich. Wir
haben gestern zum erstenmal können an den Brunnen gehen und

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*) Graf Flemming, Neffe Hardenbergs, früher Legationssekretär bei
Humboldt, seit 1816 Gesandter in Rio de Janeiro, dann in Lissabon, 1823
in Neapel.

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