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[ Band 7 Brief 12: Humboldt an Caroline Tegel, 9. Junius 1820 ]
man sie so allein sieht, sie spricht dann auch mehr. Er ist ihr sehr gut, und ehe Kunth kam, war ich manchmal ganz allein in der Stube und mußte zur Contenance zum Fenster hinaussehen, denn auf der einen Seite waren Grolmans, auf der anderen Adel- heid und August mit Küssen und Umarmen beschäftigt. Vincke wird, wie es scheint, leicht einen guten Teil des Sommers hierbleiben. Die Kommissionen und Arbeiten häufen sich und versprechen kein so baldiges Ende. Auch Ladenberg *) scheint nicht nach Karlsbad gehn zu können, er scheint sein Arbeiten ordentlich wie eine Bataille anzusehen. Denn er will dem König schreiben, daß er zwar die Badekur aufgeben würde, aber dann auch hoffe, daß der König, da er unfehlbar unterliegen werde, für seine Frau und Kinder sorgen werde. Wie glücklich, wenn man solchen Strapazen entgeht! Im Ernst fühle ich, nicht gerade der Fatigue wegen, da ich immer zu den Gesunden gehöre, aber sonst aus vielfältigen Ursachen, wie wirklich beneidenswert meine Lage ist, und ich genieße sie wirklich, was sonst nicht immer der Fall derer ist, denen solch Glück zufällt. Wenn Du erst wieder bei mir bist, meine inniggeliebte Seele, denn das ist doch alles Glücks und aller Freude erste Bedingung, so fehlt mir nichts auf der Welt. Sobald Bernstorff in Berlin ist, werde ich ihn zu sehen suchen. Er wird auch begierig sein, mich zu sprechen und von allem indes Vorgefallenen zu hören. Es wird mein ernstlichster Betrieb sein, den armen Bülow **) nun sobald als möglich loszueisen. Denn es ist jetzt wirklich Zeit. Die arme Gabriele wartet zu lange. Denn es ist nicht zu ändern, daß auch noch, wenn er hier ist, einige Zeit vergeht. ——— *) Phil. v. Ladenberg, geb. 1769, † 1847. 1837 bis 1844 Staatsminister. **) Heinrich v. Bülow, geb. 1791, † 1846, Humboldts künftiger Schwiegersohn, seit 1817 Gesandtschaftssekretär in London. 24