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[   Band 7 Brief 10:    Caroline an Humboldt     Dresden, 3. Juni 1820   ]


zweier Bilder unsre Sammlung kompletter als die hiesige und
merkwürdiger als Geschichte der Entwicklung der Kunst.
Ich habe auch die Antiken wieder gesehn. Bei denen blutet
einem aber das Herz, so sind die allermeisten überarbeitet, beinah
verstümmelt. Von den groben, fatalen, schändlichen Restaurationen
nicht zu reden. Man bekommt, wenn man viel und mit Liebe die
Dinge gesehen hat, einen unglaublichen Takt für das Halbe und
Schlechte.


11. Humboldt an Caroline                    Tegel, 5. Junius 1820

Vorgestern nachmittag waren Gerhards *) bei mir und gestern
Rauch und Schinkel **). Sie kamen gleich als ich von
Tisch ausgestanden war und blieben bis nach 7 Uhr.
Wenn einem in der Stadt die Leute gleich so einen ganzen Nach-
mittag wegnähmen, wäre man in Verzweiflung, auf dem Lande
im Sommer macht es sich aber sehr gut. Man geht gleich ins
Wilde, und das Spazierengehen ist immer hübsch.
Kunth hat mir wieder ein Manuskript zum Ansehen geschickt,
einen Aufsatz über die Papierfabrikation und das Lumpensammeln.
Wenn er wirklich in der Staatszeitung abgedruckt wird, mußt Du
ihn ja lesen. Nachdem der Lebenslauf der Wischtücher von ihrem
ersten Anfang bis in ihr graues Alter erzählt ist, kommt die philo-
sophische Frage: Es fragt sich aber, wohin kommen die abgenutzten
Wischtücher zuletzt? Weiter hat dem Ende der Dinge noch kein
Sterblicher nachgespürt. Auch über in- und ausländische Lumpen
hat das Skriptum himmlische Stellen.

———
*) Wahrscheinlich der Oberbergrat Gerhard.
**) Karl Friedr. Schinkel, geb. 1781, † 1841. Begründer der neu-
klassischen Richtung der Architektur.

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