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[   Band 6 Brief 213:    Humboldt an Caroline    Erfurt, 6. Junius 1819   ]


kommen werde. Wir haben im großen Saal gegessen, und Du
kannst denken, daß ich mehr in den Erinnerungen der alten Zeit
als in der Gegenwart gelebt habe. Die Gesellschaft bei Motz ist
sonst ganz vernünftig, sie besteht auch großenteils aus Militärs,
die, was man auch sagen mag, doch der beste Teil bei uns sind.
Die älteste Tochter ist mit einem Leutnant versprochen, der hier in
Garnison steht, mit uns aß, und auch jetzt, da ich durch den großen
Saal ging, wieder mit der Geliebten und der Mutter Tee trank.
Ich habe dabei sehr an Gabrielen und Bülow gedacht. Geküßt
haben sie sich aber gar nicht. Die Kunst, sich in der großen Fenster-
embrasüre allein zu finden, die wir so gut verstanden, ist verloren
in der Welt. Die jungen Leute dürfen jetzt so unversteckt zärtlich mit-
einander sein, aber es war doch, dünkt mich, in unserer Zeit hübscher.
Man schreibt, daß Graf Maltzahn als Geschäftsträger nach
London geht. Ich muß glauben, daß sie doch keinen Gesandten
jetzt für den Posten finden können. Es ist mir manchmal selbst
lächerlich, wenn man sich nicht darüber ärgern müßte, daß die
wichtigsten Posten unbesetzt sind oder doch umgeändert werden
sollen, und daß ich, den sie den einzigen zu nennen pflegen, der
ihnen vorstehen könnte, mit einer ganz unbedeutenden Sache nun
schon sechs Monate hingehalten werde.
Morgen früh reise ich weiter.


214. Humboldt an Caroline                       Fulda, 14. Junius 1819

Ich bin auf meiner Rückreise nach Frankfurt hier an-
gekommen, liebe Li, muß mich aber eine Stunde auf-
halten, um eine Reparatur am Wagen machen zu lassen.
Ich benutze diesen Augenblick, Dir zu schreiben. Ich wollte es

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