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[   Band 6 Brief 210:    Humboldt an Caroline    Frankfurt, 31. Mai 1819   ]


210. Humboldt an Caroline                       Frankfurt, 31. Mai 1819

Ich lebe sehr außer den Neuigkeiten. Ich meine, außer den
eigentlich politischen. Denn um die Dinge, die im Inneren
der Länder vorgehen, bekümmere ich mich sehr. Es hängt
zu genau mit meiner künftigen Stellung zusammen, um es zu ver-
nachlässigen. Was jetzt in Bayern und Baden vorgeht *), ist sehr
lehrreich und erschreckt mich nur nicht, sondern erscheint mir viel-
mehr beruhigend. Namentlich in Bayern wird doch etwas Heil-
sames herauskommen, und ich weiß nicht, warum Ribbio da nur
Falschheit, Heuchelei und Ruchlosigkeit sehen wollte. Gewiß ist
nicht alles wahr und rein gewesen, aber wo auch ist das in der
Welt der Fall? Allein das Resultat wird trotz alles dessen gut
sein. Überhaupt ist es nicht zu leugnen, daß in das Regieren und
in die politischen Verhandlungen nicht bloß in diesem oder jenem
Staat, sondern im ganzen eine gewisse Frivolität gekommen war,
ein Mangel an Ernst, und man sieht jetzt den besseren Rück-
tritt beginnen. Bei der Versammlung in München ist wohl viel
Unnützes, ungehöriges Gerede, auch Anmaßung, Eitelkeit, selbst
Mangel an Höflichkeit. Aber Demokratismus und Demagogie finde
ich nirgends in Deutschland, wo von einem Geschäft die Rede ist.
Die existieren wirklich nur in den Zeitungsartikeln und Pamphleten.

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*) In München und Karlsruhe traten auf Grund der neuen Ver-
fassungen (Bayern 26. Mai 1818, Baden 22. August 1818) die Landtage an-
fang 1819 zum erstenmal zusammen. Der König Max Joseph sah sich in-
folge der Anträge der Kammer veranlaßt, an eine Wiederaufhebung der
Verfassung zu denken, wie es Gentz in einer leidenschaftlichen Denkschrift
empfohlen hatte. In Baden war der Landtag am 22. April zusammen-
getreten und hatte durch eine Flut von Anträgen, u. a. Einführung der
Schwurgerichte, Abschaffung aller Adel- und Amtstitel in der Kammer, Ein-
schränkung der Rechte der Mediatisierten usw., die Regierungen und Höfe
beunruhigt. Der Minister Berstett warf schließlich der Kammer »jakobinische
Gesinnung« vor, und am 28. Juli wurde sie auf ein Jahr vertagt.

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