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[ Band 6 Brief 209: Humboldt an Caroline Frankfurt, 28. Mai 1819 ]
. . . Daran, daß die Kinder, die es wirklich sehr gut meinen, ihren Ansichten folgen und einen nach ihren Gefühlen und Neigungen, nicht nach den seinigen glücklich machen wollen, mußt Du Dich überhaupt gewöhnen, liebe teure Seele. Man muß nicht anders folgen, als wo es gut ist und geht, und sie sanft und leise herumbringen. Du drückst Dich so liebevoll, und viel mehr als ich’s verdiene, darüber aus, daß Du sagst, daß ich immer nur an Dich denke. Wie könnte ich anders, traute, holde Seele? Wir haben ja nie unser Glück ge- trennt, und nie hat einer von uns sich anders glücklich gewußt, als indem er den anderen ganz und ungestört in seinen eigensten Emp- findungen so sah. So, wie wir, können die Kinder nicht ganz leben, und weder August noch Bülow werden so glücklich sein und sind es, wie ich. Bedenke aber auch, wie ganz anders wir zusammen- kamen, in anderem Alter, in anderen Verhältnissen, schon viel mannigfaltiger und freier und tiefer innerlich gestimmt. So ein Zusammentreffen kommt vielleicht in vielen, vielen Zeiten nicht wieder, es sind Fügungen des Schicksals, für die man das ganze Leben hindurch nicht dankbar genug sein kann, Auszeichnungen des Himmels unter Millionen, die zu ewiger stiller Demut auffordern. Lebe wohl, innigst geliebtes Herz. Gabrielen schreibe ich heute, an ihrem Geburtstag, noch selbst. Es sind gerade noch eben zwei Stunden hin, daß die liebe Kleine das Licht zuerst sah. Es war einer meiner glücklichsten Tage. Wir hatten so viel Sorge um Dich gehabt. Wir hatten kurz vorher in Deiner Einsamkeit un- endlich hübsche Tage in Tegel genossen; der liebe Wilhelm blühte noch in aller Schönheit, und Rom lag in der Aussicht vor uns. Ewig Dein H. 554