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[   Band 6 Brief 205:    Caroline an Humboldt     Florenz, 18. Mai 1819   ]


sein, daß ich ein Ende weiter komme. Wenn man so einen Mann
bei sich hat, der besorgt einem alles, und der stumme Bekker hat,
obgleich er selbst kein Fait davon macht, seine ganze Natur um-
geändert. Er hebt mich in den Wagen aus und ein und trägt mich
beinah die Stufen herauf, er studiert jeden Schritt aus, den er mir
ersparen oder erleichtern kann. Meine Schmerzen gehen nun auch
in den linken Arm und Hand, und ich hatte mehrere Male einen
sehr akzelerierten Puls, wenn sie so heftig waren. Diese Akzesse dauern
nun freilich nicht immer, allein die Mattigkeit, die sie zurücklassen,
ist ungemein groß, und leider ist diese beinah permanent. Meine
Brustbeschwerden haben eher zu- als abgenommen. Ich habe auch
hier schon den Brustkrampf gehabt, doch nicht unmäßig stark.
Carolinen habe ich zu ihrem Geburtstag, den 16., einige
hübsche Kleinigkeiten hier gekauft. Wir fuhren selbigen Nach-
mittag, wo ein ungemein schönes und mildes Wetter war, nach
Fiesole und ließen uns in einem Korbe, der auf einer Schleife
steht, mit Ochsen auf den Berg hinaufziehen, wo man von einer
Loge im Kloster S. Francesco eine ungemein schöne und weite
Aussicht hat, die Berge von Carrara weithin überschaut. Ach,
aber römische Berglinien sind es nicht mehr, und das tiefe Saphir-
blau des Himmels ist auch schon gewichen. Die Pinien wachsen
in den Tälern, da sie dort, im Lande der Schönheit, ihre Wipfel
auf Höhen in den reinen Lüften wiegen. Im Kloster von San
Domenico, oben in Fiesole, ist ein sehr schönes Bild von Fra
Angelico da Fiesole. Ein seliger Friede des Gemüts ist in seinen
Bildern, seligere Engel, Schutzengel der Menschen, hat keiner ge-
malt als er. Ich habe hier nur wenig noch gesehen, ich war zu
leidend. . . .
Die Kinder und die Herz grüßen sehr. Ewig in treuer Liebe
Dein.

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