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[ Band 6 Brief 196: Humboldt an Caroline Frankfurt, 19. April 1819 ]
Das sind etwa die merkwürdigsten Stellen. Um 1 Uhr in der Nacht nach der Tat ist er zu Bewußtsein zurückgekehrt und hat verlangt, daß man ihm aus Körners Gedichten vorlesen solle. Man hat sie nicht gehabt, aber der Sohn des Aufsehers des Hauses hat ihm Schillers Gedichte angeboten. Die hat er aber nicht gewollt. Am Morgen hat man dann ein Exemplar von Körners Gedichten holen lassen. 23. April 1819 Sand ist dem Tode sehr nah und wird gewiß der Schmach einer Hinrichtung entgehen. Man behauptet, daß die Gerichte heimlich darüber froh sind, auch wird sein Leichnam wohl in der Stille begraben werden. Denn es soll unglaublich sein, wie in Mannheim namentlich alle so für ihn eingenommen sein sollen, daß die Tat beinahe darüber vergessen wird. Hier ist eine kleine, gar nicht ungescheut geschriebene Schrift herausgekommen, in der selbst die Tat, wenn nicht gerechtfertigt, doch als so natürlich dar- gestellt wird, daß das einer Rechtfertigung fast gleich kommt. Es ist überhaupt entsetzlich, was jetzt alles geschrieben wird, und indem das geschieht, wird ewig über unterdrückte Preßfreiheit geklagt. Es ist in den meisten solchen Schriften und Zeitungsartikeln, selbst wenn sie, wie diese, von guten Köpfen herrühren, doch eine Ver- wirrung der Begriffe, von der man sich keinen Begriff macht. Vorzüglich ist das Schimpfen auf den Adel wieder sehr an der Tagesordnung. Von mir lassen jetzt die Zeitungen nur so einzelne verdam- mende Worte vernehmen. Sie machen mich gleichsam für alle Zukunft verantwortlich und behalten sich das Richteramt vor. In einem Artikel der Allgemeinen Zeitung, der viel gegen Preußen enthält, ist am Schluß gesagt: Auch in dieser Hinsicht sind aller Augen und Erwartungen auf den gerichtet, und da bin ich genannt. Wahr ist es, die Lage, in die ich komme, ist sehr bedenklich, es ist 529