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[ Band 6 Brief 196: Humboldt an Caroline Frankfurt, 19. April 1819 ]
Isenburg nach Hilfe aus dem Fenster geschrieen hat, so ist er da- ran verhindert worden und hat sich nun den zweiten Stoß gegeben. Ob er Mitschuldige hat, weiß man noch nicht, und es scheint nicht. In Zeitungen steht jetzt ein langer Brief, den er seinen Eltern und Verwandten vor der Tat geschrieben, aber erst sehr spät hat abgehen lassen. Die Summe des Inhalts ist: Jeder muß für sein Vaterland das Leben lassen, seit 1813 geht in Deutsch- land alles rückwärts, um dem abzuhelfen, muß man Kotzebue als den Hauptverräter umbringen. Von der Idee, dies tun zu müssen, ist dieser Unglückliche im eigentlichsten Verstande wie be- sessen gewesen. Obgleich der Brief höchst verwirrt und mystisch ist und in der Idee von der Wichtigkeit Kotzebues wirklich albern, so hat er doch einige sehr rührende Stellen. Ich muß Dir noch einige Phrasen abschreiben: »Es kann nur dann gut werden, wenn der Sohn des Vaterlandes in dem Streit für Recht und für die höchsten Güter mit Hintansetzung aller Liebe nur den Tod liebt.« — »In Angst und bitteren Tränen zum Höchsten gewendet, warte ich schon eine geraume Zeit auf einen, der mir (um Deutschland an Kotzebue zu rächen) zuvorkommen und mich, nicht zum Morde Geschaffenen, ablöse, der mich erlöse aus meinem Schmerz und mich lasse auf der freundlichen Bahn, die ich mir erwählt habe.« — Von Kotzebue ist gesagt: »Damit er aufhöre, uns von Gott und der Geschichte abzuwenden.« — »Ich habe die Wissenschaften in gewöhnlicher Ordnung nach Kräften betrieben, wurde in den Stand gesetzt, das Gebiet unseres menschlichen Wissens zu überschauen und habe mich wieder aus- gesprochen darüber mit Freunden und Männern, habe das Land bereist, Menschen und ihr Getriebe kennen gelernt.« Am Schluß stehen folgende Verse: »Das letzte Ziel, das höchste, liegt im Schwerte, Drück’ Dir den Speer ins treue Herz hinein, der Freiheit eine Gasse!« 528