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[   Band 6 Brief 195:    Caroline an Humboldt     Rom, 17. April 1819   ]


Das Gerücht des Herkommens des Staatskanzlers für künftigen
Winter treibt Niebuhr, auch seine Zurückberufung zu begehren.
Allein, sollte der Staatskanzler sich so entfernen? Io non lo credo.
Er gibt die Zügel nur mit dem Leben auf. Du hast sein Herz
aufs tiefste verwundet, schreibt Koreff? Ich verstehe das recht gut,
auch bis auf einen gewissen Grad verstehe ich die Wahrheit, die
solche Kränkung in ihm hat. Eine Art Sentimentalität, wie die
in den Kotzebueschen Stücken.
Rom grüße ich noch aus tiefster Seele von Dir in diesen Tagen,
wo ich hingehe, wo ich hinblicke, sage ich Lebewohl, und auch von
dem, der dich, mein Rom, so liebt, wie ich dich liebe. Und es
ist mir, als umflösse der Himmel mild und wehmütig meine tränen-
schweren Augen. Ich umarme Dich. Die Kinder grüßen Dich.
Caroline ist in einer ähnlichen Stimmung wie ich. Sie freut sich
sehr, Dich und die Geschwister wiederzusehen, aber mit tiefer Weh-
mut denkt sie an den Abschied. Selbst Gabrielle ist vom Zauber
Roms so durchdrungen, daß sie mit Bülow das Leben gern hier
beschlösse, ich meine, lebte, denn hier geht es ihr auf!


196. Humboldt an Caroline                    Frankfurt, 19. April 1819

Ich denke an nichts als die schöne Zukunft, die uns zu-
sammenführen und ungetrennt beisammen lassen wird, ich
stelle mir unaufhörlich vor, wie schön und heiter wieder
das Leben werden wird, wenn wir immer einen Teil des Tages
zusammen zubringen, wenn ich Dich mit jedem Augenblick sehen,
mit Dir über alles sprechen kann. Diese unaufhörliche Beschäfti-
gung mit den Tagen, die doch nun nicht mehr in weiter Ferne
liegen, nimmt der Sehnsucht die spannende Ungeduld, die, was man

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