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[   Band 6 Brief 196:    Humboldt an Caroline    Frankfurt, 19. April 1819   ]


auch sagen mag, doch die Blüte der schönsten Empfindungen ab-
streift. Mir ist es immer gewesen, als gäbe es zwei ganz ver-
schiedene Arten der Leidenschaft, eine heftige, mehr äußere, die nur
über die Gegenwart wegeilen und nur das Ziel erreichen möchte,
die zuletzt in ihrem Streben wirklich mehr ihre Befriedigung als
den Gegenstand sucht, und eine heiligere, innere, die immer und
immer nur in ihm lebt, die ihn liebt im Genuß und in der Sehn-
sucht, die so tief und innig sich und ihn verbindet und an beides
so alles Menschliche und Himmlische knüpft, daß sie wieder still
wird und ruhig, und immer nur Glück kennt, sei es der Wehmut
oder der Heiterkeit. Diese Leidenschaft begleitet durch jedes Alter
hindurch bis in den Tod, ja sie wird stärker und glühender, je mehr
das fortschreitende Gemüt innerlicher und einsamer wird, sie hat
der Jugend nichts zu beneiden und hüllt sich still in die scheinbare
Ruhe der späteren Jahre. So, teures Herz, ist es mit allen meinen
Empfindungen über Dich, und das unendliche Glück, das Du gegen-
wärtig und abwesend über mein Leben verbreitest.
Das Quartier in Ems wird genommen. . . . Stein hat Dir
das in Ems besorgt, und sie schreibt mir heute früh darüber, da
ich sie gestern abend nicht zu Hause fand. Es ist närrisch, daß,
so gut und liebevoll auch beide miteinander leben, doch zwischen
Stein und seiner Frau fast in allen Dingen ein Kontrast ist. So
schreibt sie mir, da wir immer miteinander Deutsch sprechen, fran-
zösisch, das würde Dir gar nicht in den Sinn kommen.
Über Kotzebues Ermordung hat mir neulich ein junger Mensch
aus Heidelberg, der kurz vor und kurz nachher im Hause war,
noch einige wunderbare Details erzählt. Er hat einige Tage vor-
her eben diesem Menschen gesagt, er wolle nach Heidelberg kom-
men, allein bloß Paulus und Thibaut *) besuchen. Denn, hat er

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*) Anton Friedr. Justus Thibaut, geb. 1872, † 1840, seit 1805 Pro-
fessor der Rechte in Heidelberg.

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