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[ Band 6 Brief 190: Humboldt an Caroline Frankfurt, 25. März 1819 ]
Leben an eine Tat setzt, ist von Natur nie ein unedler Mensch, wie verleitet und selbst verrückt er sein kann. Dann aber für alle Folgerungen, die man aus der Sache ziehen wird. Man sagte gleich, die Universitäten hätten sich verbunden, alle, die ihnen nicht recht wären, zu ermorden, als wenn sich, die Atrozität nicht zu erwähnen, so viele finden würden, die ihr Leben selbst aufs Spiel setzten. So sehr nun auch die Art, wie sich der Sand hier gezeigt und was er hier gesprochen hat, beweist, daß er ganz allein ge- wesen und an ein Komplott nicht zu denken ist, so wird man da- gegen den Zettel in seiner Tasche anführen und sagen, daß ein Todesurteil ein Gericht und dies mehrere Personen voraussetzt. Es ist gewiß, daß eine große Masse verschrobener Ideen in vielen Köpfen sitzt, aber ebenso gewiß, daß die Art, wie einige diesem haben entgegenwirken wollen, dabei nur das Übel vergrößert hat. Die Stourdzaische *) Schrift hat in dieser Art ungemeinen Schaden getan. . . . Den 29. Über die Geschichte mit Kotzebue wirst Du nach und nach viel Details in Zeitungen lesen. Im ganzen ist es, wie ich Dir neulich schrieb. Im einzelnen erzählt man jetzt manches anders. Sehr schlimm ist es, daß sich doch nicht ganz wegzuwerfende Spuren von Komplizität zeigen. Das sogenannte Todesurteil, das man bei ihm gefunden hat, ist nicht, wie ich neulich schrieb, in we- nigen Zeilen abgefaßt und nicht von Sands Hand, sondern ein langes, wie man sagt, mit vielem revolutionärem Bombast abgefaßtes Patent, sehr schön und nicht von Sand geschrieben. Das Schlimm- ste wäre, wenn die Sache so im Verdacht der Komplizität hängen ——— *) Alexander Stourdza, geb. 1791, † 1854, russischer Publizist, schrieb auf dem Aachener Kongreß im Auftrag des Zaren ein: Mémoire sur l’état actuel de l’Allemagne, worin die deutschen Universitäten als Pflanzschulen revolutionären Geistes und des Atheismus hingestellt sind. 512