< zurück Inhalt vor >
[ Band 6 Brief 190: Humboldt an Caroline Frankfurt, 25. März 1819 ]
heim, suchte vergebens Kotzebue zweimal in seinem Hause am näm- lichen Tage auf und fand ihn endlich zum drittenmal am Abend um 5 Uhr. Kotzebues Bediente war mit in der Stube, sonst niemand. Der Fremde sagte ihm gleich einige heftige Worte, und nach diesen gab er ihm mit einem Dolch zwei Stiche in die Brust auf der Seite des Herzens und zwei ins Gesicht. Kotzebues Tochter trat hierbei eben ins Zimmer, der Vater fiel ihr in den Arm und verschied auf der Stelle. Der Täter lief aus dem Hause auf den Markt, kniete nieder, rief: Vivat Teutonia, Deutschland ist gerettet! und gab sich mit einem anderen Dolch, den er bei sich hatte, zwei Wunden, die jedoch nicht tödlich waren. Er ist ins Lazarett gebracht worden, lag aber, als der Brief abging, ohne Besinnung, so daß er bis dahin nicht gesprochen hatte. In seiner Tasche fand man einen Zettel (vermutlich, obgleich das nicht ge- sagt ist, von seiner Hand geschrieben) mit den Worten: Todesurteil, vollzogen am 23. März 1819 an August Kotzebue. Der Mensch hatte Theologie studiert. Soviel sagt der Brief. Der Pfarrer Kirchner, mit dem ich heute in Gesellschaft war, erzählte, daß der Sand, ehe er nach Mannheim (wo er sich übrigens bloß den Tag der Tat aufgehalten zu haben scheint) ging, einige Tage hier war und mit einigen jun- gen Leuten, die Kirchner kennt, umging. Er soll hier gesagt haben, daß er eine Rheinreise zu seiner Erheiterung mache, auch hier nur Vergnügungen nachgegangen sein. Doch soll man schon etwas Sonderbares und Verschrobenes an ihm bemerkt haben. Er hat unter anderem öfter gesagt, es würden viel mehr große Taten in der Welt vollbracht werden, wenn die Menschen nicht davon sprächen. Die Zunge sei des Menschen Unglück, wer sich ernsthaft verschwören wolle, müsse sich mit sich selbst verschwören. Der Vorfall, man kann es nicht genug wiederholen, ist sehr traurig, erstlich für die beiden Menschen, denn wer sein eigenes 511