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[   Band 6 Brief 189:    Caroline an Humboldt     Rom, 24. März 1819   ]


Ich bin recht begierig auf die Briefe aus Berlin vom 5. oder 6.,
wo dann alles im Publikum bekannt sein muß. Vielleicht indessen
verbreitet man es nicht so schnell wie die Kabinettsordre. Ich finde
das ganze Benehmen gegen Dich, nämlich des einen Individuums,
außerordentlich klein und falsch und hätte es vor zwei oder drei
Jahren nie für möglich gehalten.
Wie sehr ich mich zu Dir sehne, meine geliebte Seele, vermag
ich Dir gar nicht zu sagen. In Deinen Briefen ist alles ein tiefer
Wiederklang aus meinem Innersten. Die Strophe aus dem Sig-
wart ist sehr rührend, Du liebes, süßes Herz, wir werden bald
wieder zusammen sein, wir werden es auch immer sein, weil doch
das wahre Zusammensein, noch mehr das Zusammengehen, in allem
ist als das sich nicht eine Stunde lang Trennen. Der Himmel gebe
mir nur etwas Kräfte, physisch, meine ich, im übrigen bin ich
lebendig wie immer.


190. Humboldt an Caroline                  Frankfurt, 25. März 1819

Es ist ein Vorfall geschehen, der an sich sehr widrig ist
und den allerbösesten Eindruck machen wird. Kotzebue,
der bekannte, ist von einem Studenten in Mannheim
vorgestern ermordet worden. Man erzählte es schon gestern, allein
man glaubte natürlich nicht daran. Heute hat mir Bethmann *)
einen Brief aus Mannheim selbst gezeigt, der die Sache mit De-
tails meldet. Es ist ein gewisser Carl Sand, aus Wunsiedel im
Bayreuthischen gebürtig, der in Jena studiert hat, erst ein paar
Monate die Universität verlassen hat und dann eine Reise machte,
der die Tat vollbracht hat. Er ging ausdrücklich dazu nach Mann-

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*) Simon Moritz Bethmann, geb. 1768, † 1826.

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