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[   Band 6 Brief 182:    Humboldt an Caroline    Frankfurt, 22. Februar 1819   ]


Trost hier. Ja, ich bleibe dabei, daß ich ganz anders nach Berlin
komme, als wenn es von London geradezu wäre. Ich habe ein-
mal die Eigenschaft, anderen immer sehr viel zu verdanken, und habe
immer die Perioden meines Lebens am liebsten gehabt, wo ich mich
an jemanden anschließen konnte, in dem ich etwas Höheres erkannte.
Ich habe auch nie gefunden, daß das der Selbständigkeit den min-
desten Nachteil bringt. Man eignet sich doch, und gerade je mehr
man Fähigkeit hat, es zu erkennen, das Fremde immer nur in
eigentümlicher Manier an, und wird in sich um alles das reicher,
was man von anderen empfängt. Stein aber ist sehr eine Natur,
durch die man auf diese Weise gewinnen kann. Er hat lauter so
feste und entschiedene Richtungen, daß alles in seinem Geist und
seinem Charakter wie eine Notwendigkeit erscheint. Es mangelt ihm
vielleicht, wenn er auch eine große und milde Achtung für ver-
schiedenartiges Dasein hat, an Beweglichkeit und Empfänglichkeit,
selbst eben in ein anderes einzugehen, allein er ist desto mehr ganz,
was er einmal ist.
Von Dir sprechen wir sehr oft, und noch gestern hat er ge-
fragt, wann Du kämst, mit der sichtbaren Absicht, zu wissen, ob er
vielleicht noch hoffen könnte, Dich hier zu sehen, wenn mein Auf-
enthalt sich verlängern sollte. Das wird der morgende Tag ent-
scheiden. Ich glaube nicht, daß man mich kommen läßt, allein auch
nicht daran, daß man bricht. Der Staatskanzler wird irgendeinen
elenden Mittelweg finden, den wir bloß darum nicht erraten, weil
man nie denselben Weg mit solcher Erfindungskraft geht. Man
wird mich nicht kommen lassen aus zwei Gründen, einmal weil, ehe
alle Verhältnisse usw. fest bestimmt sind, der Staatskanzler nichts
so sehr als das fürchtet, dann, weil man auch nicht wird das hie-
sige Geschäft verderben lassen wollen.

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