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[ Band 6 Brief 164: Humboldt an Caroline Frankfurt, 1. Januar 1819 ]
sollen Dich meine Liebe und Sorgfalt immer und unaufhörlich umschweben. Die äußeren Ereignisse nehmen vielleicht auch eine mehr beruhigende Gestalt an. Auch fürchte ich im Grunde keins, wenn ich mit Dir zusammen bin. Die Dinge der Welt wegen und rollen aufwärts und abwärts, sie geben, da man sich von ihnen nicht einmal trennen möchte, Freude und Leid, aber für das Gemüt, das sie aufzunehmen und zu behandeln versteht, geht nichts in ihnen verloren, und wie sie sich gestalten mögen, wird es höher und tiefer durch sie, und wenn zwei durch die Liebe verbunden sind, die das ganze Dasein in eins verschmilzt, so geht selbst aus dem an sich Schmerzlichen eine noch immer süße Wehmut hervor; auch setzt man dann dem Geschick, wo es feindlich ist, eine mildere und mehr heitere Kraft entgegen, und ist schon darum des Erfolgs gewisser. Umarme mir tausendmal, liebe Li, die beiden lieben Mädchen und wünsche ihnen das heiterste und schönste Glück im beginnenden Jahr; Carolinen vor allem, daß ihre Gesundheit so bleibt, wie sie ist, und sich noch mehr befestigt, Gabrielen, daß sie bald den in der Nähe besitze, nach dem sie sich sehnt. Dies Jahr muß für uns notwendig viel lösen und viel bestimmen, und insofern ist es vielleicht eins der entscheidendsten in meinem Leben. Es trifft mich gerade an einem Abschnitt der Tätigkeit, und es fragt sich nun, ob und wie eine neue beginnen soll? Ohne zu wagen wird ein solcher Entschluß nie im Leben genommen, und was man im öffent- lichen gewesen sein und geleistet haben mag, so steht bei einem neuen Beginnen eigentlich immer wieder Alles, auch das längst Errungene, auf dem Spiel. Das ist gut und hübsch eigentlich, aber auch eine eigene und ernste Betrachtung. Im Handeln soll der Mensch, so lange er lebt, nichts Geborgenes und Gesichertes haben, er soll nie sagen können: das bin ich. In jeden einzelnen Moment soll er die ganze Vergangenheit tragen, und wenn er den 424