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[ Band 6 Brief 159: Humboldt an Caroline Frankfurt, 18. Dezember 1818 ]
Mit der anderen Laufbahn, die Schlegel ergreifen würde, fürchte ich, macht sich die gute Frau Illusionen. Man kann in solchen Dingen über niemand richten. Aber wenn sie gesucht hätte, sich still und sanft vom vorigen Mann *), den sie nicht liebte, zu trennen, und für sich zu leben, war es wohl besser. Es bestraft sich immer, wenn man, auf eingebildete höhere Ideen gestützt, den einfachen Weg gewöhnlicher Pflicht verläßt. Gentz hat erzählt, Bernstorff habe ihm bestimmt gesagt, daß er wieder seinen Abschied nähme, wenn ich nicht Minister werde. Wie inkonsequent, wenn es wahr ist. Man muß sich seine Lage schaffen, ehe man hineingeht. Es ist ein falsches Prinzip, seine Stellung sich schaffen zu wollen, wenn man darin ist. Alles wird unrein, was in ein unreines Gefäß gegossen wird. Darin, daß ich ein Ministerium sogar suchen sollte, hat Nibbio sehr Unrecht. Früher hätte er Recht gehabt. Wenn man einmal verlangt, daß man von sich selbst voraussehen soll, daß man vorzugsweise gemacht ist, den Staat zu retten, so kann man mich mit Recht beschuldigen, daß ich nicht alles, was von mir damals abhing (und was wirk- lich sehr viel war), getan habe, 1814 und 15 ins Ministerium zu kommen. Damals waren die Dinge in der Bildung, und es ließ sich ohne sonderliche Vorsicht hineingehen. Jetzt ist alles total anders, jetzt kann man nicht mehr und nicht weiter. Glaube auch nicht, süße Seele, daß ich zu viele und überflüssige Sorge habe, meinen Namen zu kompromittieren. Man muß nichts so hoch halten als ihn und kann es nie zu sehr. Wie man zugibt, daß sich die Leute gewöhnen, einen guten Namen mit einem schlechten zusammen zu nennen, ist’s, als wenn man selbst einen matten Hauch darüber verbreitete. Nichts ist so verführerisch als der Grundsatz, unbedingt Nutzen stiften zu wollen, wie es auch immer kommen möge. Nur wenn man es sehr bedingt tut, kann es gelingen. ——— *) Simon Veit, Kaufmann. 411