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[   Band 6 Brief 159:    Humboldt an Caroline    Frankfurt, 18. Dezember 1818   ]


Übrigen ist, was es aber nie in diesem oder jenem Moment ganz
und zugleich sein kann. Wer nun am meisten fähig ist, alle Dinge
immer und immer zugleich in ihrer wirklichen und symbolischen
Natur zu empfinden, wer diese beiden Naturen am meisten und in
der vollkommensten Wahrheit zusammenschmelzen läßt, der erreicht
am besten die Tiefen und Höhen des Lebens, und hat den meisten
Genuß am Dasein.
Der Mann mit der Spree ist himmlisch. So eigensinnig zu
sein, nicht mit Wasser zufrieden zu sein, sondern gerade Spreewasser
haben zu wollen, dies geht weit. Aber Achilles sehnte sich auch
nach dem Fluß, dem er die Jugendlocke geweiht hatte, und um
Troja herum war es gewiß auch ein schönerer Himmel. Alles
geht rückwärts der Heimat zu. —
Da ich mich einmal moquiere, süßes Kind, so muß ich es auch
über Dich tun. Weißt Du, wie Du in dem Briefe, den ich vor
mir habe, geschrieben hast, und so deutlich und schön: die entfern-
tetsten, Bergketten. So viel T hat doch die deutsche Sprache nicht.
Verzeih aber ja, das ist nur so en passant, und Du wirst Dich
schon wieder rächen.

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Der Kaiser kommt allerdings nach Rom, und Metternich mit
ihm. Er hat mir in Aachen sehr zugeredet, alsdann doch auch da
zu sein. Überhaupt hat er sichtbar den Schein angenommen, mich
sehr gern zu haben, mich, wenn wir zusammen waren, laut gebeten,
mich zu ihm zu setzen, mich oft bei sich haben wollen usf. Da ich
aber die eigentlichen Empfindungen kenne, habe ich, unter dem Vor-
wande, beim Staatskanzler sein zu müssen, nur einmal bei ihm
gegessen. Er hat sich im Äußeren sehr und nicht zu seinem Vorteil
verändert. Er ist alt geworden und die Züge hängender. Auch
sieht das eine Auge, was er im Grunde gar nicht brauchen kann,
matt und wie erloschen aus.

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