< zurück      Inhalt      vor >                                          
[   Band 6 Brief 158:    Caroline an Humboldt     Rom, 16. Dezember 1818   ]


beschließen, allein ich sage mir, daß Du es nicht kannst, und daß
das Verhältnis, wie es jetzt ist, nur eine fortgesetzte Quälerei ist.
Vergib, geliebte Seele, wenn ich vielleicht mit Deiner Ansicht nicht
ganz zusammenstimme. Du bist 51 Jahre alt. Meine Gesundheit,
da sie die Krise überstanden hat, setzt sich nun wahrscheinlich wieder
ganz. An Deiner Stelle faßte ich den Entschluß, noch sechs bis
sieben Jahre dem Staat zu dienen, aber in der Tat, in der Wirk-
lichkeit, nicht an einer Stelle, wohin Mißgunst und Mangel an
Vertrauen mich stellten. Wolltest Du das — und kaum kannst Du
etwas anderes wollen — so finde ich doch, ist es unzweckmäßig, das
verkrüppelte Verhältnis mit dem St[aatskanzler] fortzusetzen. Ich
finde noch außer, daß es unzweckmäßig ist, daß es sogar schadet. Ins
Publikum dringt genug von der äußeren Erscheinung Deines Zu-
sammenseins mit ihm, um daß es sich ein Urteil erlaube. Sollte
man nun nicht Deiner Langmut, Deiner Geduld andere, falsche,
der Würde Deines Charakters unangemessene Motive unterschieben?
Eine entschiedene und entscheidende Trennung ist etwas ganz an-
deres als ein leidenschaftlicher Bruch, über den bist Du weit er-
haben, aber jene, glaube ich, bist Du Dir schuldig, und zwar mit
Vorwissen des Königs. Entweder trittst Du dann in die Stelle,
die Dir gebührt, oder es ist offenkundig, wer Dein Gegner ist, und
Du stehst dann rein da, wenn er einmal austritt. Mit der Manier
des Menagierens mit dem Staatskanzler wirst Du nie weiter-
kommen. Und Du sollst auch nicht, wenn es auf eine Weise ist,
die Dir in Deinem Inneren nicht genügt, aber der König wisse es.
Ich freue mich sehr, daß der König Dich so gnädig entlassen hat,
ich glaube nicht, daß ich imstande gewesen wäre, es ihm bei diesem
Ersehen zu verschweigen. Verzeih mir, wenn ich unrecht habe. Es
stammt aus dem Gefühl des wirklich empörenden Betragens gegen
Dich, denn was soll all diese Freundlichkeit, dies Besorgtsein um
Dich, anderes bezwecken, als anderen Ununterrichteten Sand in die

                                                                       407