< zurück Inhalt vor >
[ Band 6 Brief 155: Humboldt an Caroline Coblenz, 3. Dezember 1818 ]
155. Humboldt an Caroline Coblenz, 3. Dezember 1818 Ich bin heute nachmittag hier angekommen und habe die himmlische Gegend zwischen Bonn und hier ganz genießen können. Ich wünsche doch sehr, daß Du einmal die Rhein- gegend sehen mögest. Die Berge und die alten Schlösser darauf waren heute unnachahmlich schön. Ich habe über mich selbst lachen müssen, daß mir doch ein paarmal eingefallen ist, daß es wohl der Mühe wert sei, hier zu regieren. Der Staatskanzler ist ein paar Stunden vor mir angekommen, und wir sind hier bis 6 Uhr zusammen gewesen. Morgen bleibt er noch bis Mittag und ich auch, um das freundlich Begonnene freundlich zu beschließen. Indes möchte die Freundlichkeit so tief nicht gehen. Ich sehe erst in diesen allerletzten Tagen offenbar, daß er unbegreiflicherweise sich doch muß Hoffnung gemacht haben, daß ich einen seiner Vorschläge annehmen, ja vielleicht wohl gar nach London zurückkehren würde. Ohne gegen mich gerade verändert zu sein, ist er seit dem Tage nachdenkender, stiller und gleichsam angegriffen. In Bonn besuchte ich gestern Schlegel, nämlich August Wilhelm, der dort Professor geworden ist. Ich fand ihn ganz wie wir ihn zuletzt in Wien gesehen haben, immer und ewig mit sich beschäftigt, und nur von sich und seinen Unternehmungen redend. Aber in diesen letzteren scheint er mir jetzt gar keine glückliche Wahl getroffen zu haben. Er beschäftigt sich mit Sprachuntersuchungen, vorzüglich dem Indischen, und macht von seinem höheren Talent eigentlich keinen Gebrauch. Er lebt jetzt noch in Bonn ohne seine Frau. Du weist aber vielleicht nicht, daß er Paulus *) Tochter geheiratet hat. Er bewohnt ein eigen gemietetes großes Haus, spricht von großen Gesellschaften, alles in der höchsten Grandeur. Wie sich ——— *) Heinrich Eberhard Gottlob Paulus, geb. 1761, † 1851, Professor der orientalischen Sprachen und der Theologie. 401