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[   Band 6 Brief 154:    Humboldt an Caroline    Aachen, 1. Dezember 1818   ]


Kieß war eigentlich böse auf ihn, er hält auf die Familie und auf
mich, und die weltlichen Dinge lassen ihn viel weniger kalt. Bern-
storff ist abgereist, er hat noch ein ausführliches Gespräch mit mir
gehabt, aus dem ziemlich klar, ja mit seinen eigenen Worten her-
vorging, daß er glaubt, daß auch er genötigt sein würde, wieder zu
gehen, wenn er nicht eine Stütze an mir habe. Für Bülow hat
er mir alles mögliche versprochen. Er hat mir ganz eigen gesagt:
»Sie können ja wohl denken, wie gern ich eine Gelegenheit finde,
Ihnen etwas Angenehmes zu machen,« und man hörte dem Ton
an, daß er damit viel mehr als das Gewöhnliche sagen wollte,
und daß unser ganzes unausgesprochenes Verhältnis dabei im
Hintergrunde war.
Was Du über die Frauen sagst, daß es ihr schönes Vorrecht
ist, verständig sein zu können, ohne weltklug zu sein, ist äußerst
hübsch. Wohl ist es so. Allein die Freude in Berlin ist nicht
lange gewesen. Ich komme gewiß hin. Es ist aber jetzt offenbar,
daß weder sie noch der Erste hier mich gekannt haben. Sie haben
dem leichten Schein vertraut, daß ich, wenn eins nicht gehe, leicht
ein anderes nähme oder behielte, daß ich zum Aufgeben von allem
aber nicht leicht käme. Jetzt ist ihnen nichts so furchtbar als mein
Schweigen, mein Nichtklagen, Nichtfordern, meine Ruhe, die aber
doch auf einen Punkt fest zugeht. Es ist überaus kleinlich. Aber
ich kenne bei uns kein Beispiel, daß ein einzelner Mensch so ge-
fürchtet worden wäre. Und die Furcht ist ganz eitel. Denn ich
würde und werde nichts tun, bloß ruhig die Dinge walten lassen.

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