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[ Band 6 Brief 150: Humboldt an Caroline Aachen, 24. November 1818 ]
sich viel angemessener und lieber. Sie entspricht mehr meiner Nei- gung, sie setzt mich außer allem Streit, aller Rivalität mit den Ministern, sie hat eine ehrenvolle Unabhängigkeit, und sie besitzt noch einen Vorzug, den ich über alles schätze: Wir sind beide, geliebtes Herz, in dem Alter, wo man noch sehr lange leben kann, aber wo man doch des langen Lebens nicht mehr gewiß ist. Deine Gesundheit ist überdies leider jetzt sehr wankend. Ich könnte den Gedanken nicht ertragen, die letzten Jahre meines Lebens nicht ganz und ausschließend für Dich, oder was es viel wahrer und meiner Empfindung viel entsprechender aus- drückt, für mein Zusammensein mit Dir zu leben. Ich scheue mich daher, in ein Verhältnis einzugehen, wo angefangene Dinge einem sogar eine innerliche Verpflichtung auferlegen können, sie nicht zu verlassen. Beim Staatsrat kann das nie der Fall sein, allein bei einem Ministerium, das mithin eine Verwaltung ist, ist es sogar immer so. Überhaupt ist es das Schicksal des Lebens, daß es immer eine Macht gibt, die einen anfangs trägt, hebt, unterstützt, aber am Ende auftritt und sagt, daß man ihr angehört, daß die Freiheit dahin ist, daß man der eigenen Empfindung, dem inneren Leben entsagen muß. Schiller, dessen Stücke ich hier wieder viel gelesen und zum Teil gesehen habe, hat diese Idee auf die mannig- faltigste Weise symbolisch dargestellt, sie kommt aber auch in jedem unbedeutenden Privatleben vor. Ich fühle lange eine Sehnsucht, mich dieser Macht zu entziehen, ohne sie zu verletzen, es ist nicht Furcht vor ihr, nicht Abneigung gegen das, wozu sie hinzieht, aber es ist die überhandnehmende Herrschaft des inneren Lebens, das, wie ein Strom, der dem Meere naht, immer höher und mächtiger schwillt, je mehr er der äußersten Küste des irdischen Daseins zu- eilt. Ich stehe jetzt auf dem Punkte, wo die äußeren Umstände es vielleicht erlauben, und ich gehe daher mit behutsam zögernden Schritten, ehe ich neue Knoten schlinge, da ich nur die alten lösen 388