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[   Band 6 Brief 138:    Humboldt an Caroline    London, 23. Oktober 1818   ]


immer wahrscheinlicher, daß man mich dahin gehen lassen wird,
um über die Wintersitzungen des Staatsrats unter diesem Vor-
wande mit guter Manier wegzukommen.


139. Caroline an Humboldt                      Rom, 24. Oktober 1818

Ich habe gestern Deinen lieben Brief vom 2. Oktober emp-
fangen. Deine Antwort an den König ist vortrefflich
und ganz den Umständen angemessen. Die Mutter der
Dame, die Dich ehemals immer ihren Romeo nannte, schreibt mir
über Bernstorff eine lange Geschichte, Doléancen über das Ent-
wurzeln aus dem heimischen Boden usw. und, sagt sie, sie hätte
mir erst schreiben wollen, wenn sie aus sicherer Quelle in Erfah-
rung gebracht haben würde, wie das alles zusammenhinge. Bern-
storff sei es nie, auch nicht im Traume eingefallen, auf das Ein-
treten in preußische Dienste zu denken, allein im Frühjahr habe
man ihm deshalb Vorschläge gemacht, die er rein abgelehnt. Einige
Wochen darauf habe man die Vorschläge dringender wiederholt
und auf dieselbe abschlägige Antwort von Bernstorff erwidert, er
möge wohl bedenken, daß er seinem Könige und Vaterland als
preußischer Vize-Staatskanzler mehr nützen könne als in seiner jetzigen
Stelle *), und man werde sich nun an seinen König wenden. Dar-
auf habe sich Bernstorff erklärt, daß er letzteres ernstlich verbäte,
allein selbst mit seinem König reden wolle, und habe diesen, statt
nach Karlsbad zu reisen, in Schleswig gesehen. Der König von
Dänemark habe entschieden, ja, er solle die Stelle annehmen, weil
er dort seinem Vaterlande mehr nützen könne, die Trennung sei
schmerzhaft gewesen, denn Bernstorff liebe den König zärtlich usw.

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*) Als deutscher Gesandter in Berlin.

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