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[   Band 6 Brief 138:    Humboldt an Caroline    London, 23. Oktober 1818   ]


Naturmacht, Sturm und Ungewitter erscheint. Es ist selbst gut
in ihm, daß er, ohne Not, nicht einmal als Masse zu handeln
liebt, das individuelle Dasein vorzieht, und daß nur wenig dazu
gehört, damit er in diesem sich vom bloßen Materiellen zu einiger,
mehr oder minder hohen Ideenbeschäftigung erhebt. Er ist auch
weit weniger subjektiv, läßt vielmehr die Dinge auf sich wirken,
schaut ruhiger an und ist empfänglicher dafür, über Nuancen zu
zweifeln, über die andere Nationen leichtsinnig oder rauh hinweg-
sehen. Gerade in England, unter einem sehr nahe verwandten und
doch total verschiedenen Volk, hat man die erwünschteste Gelegen-
heit, dies sehr oft zu fühlen, und man kann wohl sagen, sich dessen
zu erfreuen. Mit Leuten darüber zu reden, ist zwar nicht leicht.
Engländer, die nur für diese Art der Ansicht Sinn hätten, sind
mir im Grunde noch nicht vorgekommen, und Deutsche kamen nur
so zufällig her.
Recht viel Freude macht mir aber doch ein gewisser
Bopp *), ein Bayer, den seine Regierung und der Kronprinz
hierher geschickt haben, um die indische Sprache zu studieren, und
der viel Sinn für Sprachvergleichung hat und in jeder Hinsicht
ein guter Kopf ist. Er ißt oft ganz allein mit uns, und ich
habe ihn, trotz mancher äußeren Unbehilflichkeit, die ihm anklebt,
sehr gern.
Ich sehe aus den heutigen englischen Zeitungen, daß die Sache
zwischen Bayern und Baden *) wirklich beendigt sein soll, und es
kommt mir dies an sich so wahrscheinlich vor, daß ich es nicht für
eine bloße Zeitungsnachricht halte. Wenn das nun ist, so steht der
Abschließung des Traktats, der eine Folge meiner Verhandlungen
in Frankfurt ist, nichts mehr entgegen, und es wird mir daher

———
*) Franz Bopp, geb. 1791, † 1867, Begründer der indogermanischen
Sprachwissenschaft.
**) Vgl. Bd. V, S. 93.

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