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[   Band 6 Brief 133:    Humboldt an Caroline    London, 9. Oktober 1818   ]


Meine äußeren Sinne selbst schon sind weder sehr scharf noch ge-
rade ausgebildet, und das wäre noch das wenigste. Allein in der
Seele selbst entspricht ihnen etwas, das erst eigentlich macht, daß
man wirklich scharf sieht und hört. Ich übersehe leicht, oder er-
kläre mir, was ich zu sehen glaube, auf diese oder jene Weise und
sehe daher falsch. Unsere Erziehung war eigentlich gemacht, das zu
befördern. Alexanders ganz entgegengesetzte Natur hat sich davon
losgemacht, und die Schranken, die man ihm von dieser Seite ent-
gegensetzte, durchbrochen. Ich habe die Erziehung, die man mir
gab, in meiner Manier aufgenommen und diese verstärkt. Caroline
ist mir unter unsern Kindern darin sehr ähnlich.
Das Briefstückchen, das Du mir neulich schicktest, hat mir sehr
viel Spaß gemacht. Es war sehr bitter und das Pikanteste, was
sich sagen läßt, allein leider nur zu wahr. In der Beurteilung des
Entschlusses, den der *), von dem darin die Rede ist, nehmen würde,
hat sich der Schreiber wie ich geirrt. Die Menschen sind wunder-
bar und wissen selten ihr eigenes Bestes. Es ist auch schwer zu
wissen, und ich mag mich auch manchmal geirrt haben und noch
irren, allein darum halte ich so unendlich viel darauf, seine Hand-
lungsweise nur so viel als möglich nach notwendigen Motiven zu
richten, sie so einfach als möglich zu machen, und ja nicht viel
positiv vorzunehmen mit sich, um sich in diese oder jene Lage zu
bringen, da aber, wo man handeln muß, rechte und durchaus reine
Triebfedern zu haben. Man erleichtert sich so das Durchkommen,
kann wohl etwas versäumen und verfehlen, aber nicht leicht verderben.

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*) Bernstorff. Vgl. S. 301.

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