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[ Band 6 Brief 132: Humboldt an Caroline London, 8. Oktober 1818 ]
Park zu sehen. Er fand überaus seltene Tiere da, die, wie er ver- sichert, man sonst nie sieht. Gegen 8 gingen wir an Tisch. Die Herzogin, neben der ich saß, und die immer sehr freundlich mit mir ist, war es besonders diesen Tag. Sie hatte zum Andenken an das Vaterland sogar wollen Mohnpiehlchen machen lassen, die wir einmal bei der Gräfin Voß *) gegessen haben, sie hatte aber nur schwarzen Mohn finden können, und der, meinte sie, hätte ihr zu furchtbar geschienen. Gestern früh verließen wir Oatlands bei sehr schönem Wetter. Wir besuchten einen Sohn von Lord Tankerville, der eine der reichsten Conchilien- und Muschelsammlungen und sehr schöne Treib- häuser mit seltenen Pflanzen hat. Alexander hielt sich ziemlich lange Zeit dort auf, und ich ging teils allein, teils mit der Frau des Hauses dabei herum. So viel Wesen man von diesen Land- sitzen macht, kann ich Dir versichern, teures Kind, und Alexander war meiner Meinung, daß sie nicht hübscher sind wie Tegel, und viele nicht so hübsch. Die Muscheln mit ihren wunderbaren Farben und Formen, die Korallenbäume und Kristalle erinnern mich immer an die Paläste der Prinzessin Bradrulbudor in der Tausend und eine Nacht. Es ist dies wahrhaft das Feengebiet der Natur. Und was einen daran sehr ernstlich ergreift, warum und wozu dies Versenken der schönsten Gestalten, der brennendsten Farben in den tiefen Meeresgrund? Ja, wie entstehen sie nur, da die Tiere immer leben, wo die Sonne, der Quell aller Farbe, niemals hindringt? Und geht man wieder zu den Pflanzen, so findet man oft im un- scheinbarsten Blümchen die wundervollste Gestalt, die regelmäßigste Farbenabstufung und überall Symmetrie in Zahl und Gestalt. Es ist offenbar, daß das nicht gerade gemacht ist, daß Menschen es sehen und genießen, es ist auch nicht notwendig zur Erhaltung und ——— *) Sophie Gräfin Voß, geborene v. Pannewitz, geb. 1729, † 1814, die bekannte Oberhofmeisterin der Königin Luise. 333