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[ Band 6 Brief 106: Humboldt an Caroline London, 31. Julius 1818 ]
Du weißt, wie er an seinem Gut in Schlesien hing, und viel mehr bei seinem Abgange als es bei mir jetzt der Fall ist, in die Ein- samkeit zu gehen sagte. Ich habe überhaupt eine Ahndung, daß Veränderungen im Werke sind, und daß der, mit dem ich jetzt über meine Plane im Briefwechsel gewesen bin [Hardenberg], Anstalten macht, selbst vielleicht durch meine Erklärungen geleitet, eine Art persönlichen Bollwerks um sich herum zu schaffen. In diesem Fall würde er sich immer noch gern enger mit jenem verbinden, um durch diese Verbindung ein Gegengewicht in der Meinung gegen meine Absonderung zu erhalten. Für die Mitteilungen von Nibbio *) danke ich Dir und ihm. Es ist wunderbar, daß auch Nibbio immer denkt, daß einem an dem Fortkommen, Gelingen, Sich-Erhalten liegt, daß man darauf denkt, Plane macht, bald schont, bald reizt. In mir ist das alles viel einfacher, und ohne daß ich mir ein Verdienst daraus mache. Mein Herz und mein Gemüt hängen gar nicht daran, als wie höchstens an einer Pflicht, die oft leidig genug ist. Wirklich, süße Seele, ist auch alles Handeln in Staatsgeschäften jetzt nur eine wahre Re- signation im Gefühl, daß man sich, ohne äußere und innere Hoff- nung, zum Opfer bringt. Der Glanz ist davon gewichen und die wahre Tugend auch. Jetzt flattern wie schwarze Geier so Schein- tugenden daran herum, die immer hervorkommen, wenn die Ver- derbnis recht groß ist. Das ist der nämliche Eindruck, den mir Tacitus und die Schriftsteller dieser Zeit immer gemacht haben. In den schönen Zeiten wird kaum der Name der Tugend genannt, Vaterlandsliebe und Sinn des Rechts gehen von selbst ihren Weg, da ist nie von Tugend, Philosophie, der strengsten und höchsten, die Rede. In den schändlichsten Epochen der Französischen Revolu- tion war es wieder so, wenn man sie mit denen Bayards und des Mittelalters vergleicht. Ich habe jetzt hintereinander wieder den ——— *) Vgl. S. 202. 262