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[ Band 6 Brief 106: Humboldt an Caroline London, 31. Julius 1818 ]
in der man ist, und man kann nun alle Schuld der Entfernung auf mich schieben, diese macht auch nicht einmal viel Aufsehen, weil sie von einer bestimmt angekündigten Dauer ist. Bloß wegen des Pflichtgefühls, das man immer gegen sich und andere haben muß, und das einen abhält, eine bloß für sich bequeme Lage zu suchen, solange man die Aussicht hat, allgemein nützlich zu sein, bloß wegen dieses Gefühls tue ich den Schritt nicht gleich selbst. Würde aber Deine Gesundheit nur einem Schatten von Gefahr durch Zurückkommen nach Deutschland in diesem Jahre ausgesetzt, so fällt auch dieser Grund weg. Keine äußere Tätigkeit kann jetzt so wichtig sein, daß man ihr solche Opfer bringen müßte, und dann, bestes, innigstgeliebtes Wesen, wenn ich Dich verlöre, wäre es doch auch mit aller äußeren Tätigkeit für mich und gewiß in nicht langer Zeit mit mir selbst aus. Dies ununterbrochene Leben und Sein in einem Geist, Gemüt und Empfindung, das man führt, wenn man sich so innig und so lange ist, was wir uns gewesen sind und sind, zieht den Überlebenden unvermerkt in das Grab; es ist eine Sehnsucht, die nur ruht in Vereinigung oder Vernichtung, und eine schöne und göttliche Gewalt des Geistigen über das Irdische. Der [Gneisenau], aus dessen Brief an Dich Du mir eine Stelle über mein und Dein Kommen nach Berlin zitierst, hat, wie gut er auch sonst ist, doch immer etwas Geziertes. »Zurückzukehren und einen Lichtpunkt unserer Hauptstadt zu bilden.« Welche Phrase! Es kommt mir immer vor, als wenn es in denen, die so etwas schreiben können, eine Zeit gegeben hätte, wo ihnen das Umgehen mit der Sprache etwas Neues gewesen wäre, und da ist es doch viel wert, wenn einem die Worte von Kindheit an geläufig gewesen sind, und man so bloß durch das Leben ist in ihre Höhen und Tiefen geführt worden. Sehr aufgefallen ist mir aber die Stelle, daß er sagt, daß er ein Mitbürger Berlins wird. Das scheint auf eine Veränderung seiner öffentlichen Lage zu deuten. Denn 261