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[   Band 6 Brief 103:    Humboldt an Caroline    London, 17. Julius 1818   ]


Ereignis *) wenigstens, was doch in wenigen Jahren erfolgen muß,
wird dann keine Änderung machen. Ist das nicht, läßt er mehr
nur die Sache geschehen, weil er sie jetzt nicht gut ändern kann
oder es auch für jetzt nicht für nötig hält, so ist es etwas anderes,
und so wird es mit der Muße wenigstens keinen Bestand haben.
Ob aber das eine oder das andere ist, läßt sich nicht so leicht
bestimmen, besonders wenn ich nicht Gelegenheit habe, bis zum
Frühjahr dem Ersten mehr nahe zu kommen. Doch müßte ich
mich sehr irren, oder es ist sowohl bei ihm als selbst bei seinem
Sohne diese Meinung meiner Unbiegsamkeit. Ich bin überhaupt
und auch gegen alle im Volk, die urteilen, in einer sehr eigenen
Lage. Ich genieße an sich eines großen Vertrauens, jetzt vielleicht
mehr als irgendein anderer, selbst in Absicht gewisser Charakter-
seiten, nämlich der Unparteilichkeit, der Strenge der Grundsätze,
des Eifers für die Sache, die ich unternehme. Aber vielleicht für
keine Klasse bin ich der, der ihnen eigentlich zusagt, der sie in die
gemächliche Ruhe des Vertrauens versetzt, die sie eigentlich wünschen.
Ich habe in dieser Art sogar eine zurückstoßende Kraft für sie,
weil ich mich nie darum bekümmert habe, ihre Urteile über mich
zu leiten, selbst nur die falschesten zu widerlegen, und weil auch
die Umstände mich mehr als andere in ganz verschiedenen Lebens-
weisen gezeigt haben. Das Gefühl hiervon ist bei allen, die äußerst
wenigen ausgenommen, die mich wirklich kennen. Die Grunerschen **)
Briefe im vorigen Jahr sprechen es auf eine merkwürdige und
scharfsinnige Weise aus. Da sich aber die Menschen keine Rechen-
schaft davon geben können, so schieben sie nun alles bloß auf
Kälte und Gemütlosigkeit. Dann kommt auch noch etwas bloß
Menschliches hinzu, das aber sehr allgemein ist. Es sind gewiß
wenig Leute, die so wie ich jedes fremde Verdienst anerkennen,

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*) Der Tod Hardenbergs.
**) Justus v. Gruner, geb. 1777, † 1820. 1809 Polizeipräsident.

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