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[   Band 6 Brief 103:    Humboldt an Caroline    London, 17. Julius 1818   ]


selbst ein kleines herausheben und beides so gern und ungezwungen
zeigen. Allein das hilft bei den Leuten noch immer nichts und
befriedigt ihre Eitelkeit nicht. Wenn man nicht zeigt, daß einem
sehr daran liegt, wie sie einen selbst beurteilen, wenn man ihnen nicht
Konfidenzen macht, wenn man ihres Rats nicht zu bedürfen, ihre
Teilnahme nicht zu suchen, um ihren Beifall nicht anders als in-
sofern er nebenher aus dem Rechttun fließt, bemüht scheint, so ist
man ihr Mann nicht. Sie verzeihen viel lieber die entgegengesetzte
Übertreibung. Überhaupt wollen die Menschen jetzt, und vorzüglich
in Deutschland, daß man allen Dingen und sogar sich selbst eine
gewisse Salbung, Wichtigkeit und Feierlichkeit geben soll. Wenn
ihnen nun einer, mit dem sie sich in ihrem politischen Plan beschäf-
tigen, schlicht und recht und mit vollkommener Wahrheit sagt: ich
bin ja da und will gern mit Hand anlegen, ich glaube auch, daß
ich es gar nicht übel machen werde, allein wenn ich es nicht mache,
und die Umstände mich ganz abzutreten nötigen, so wird der Staat
auch nicht untergehen, es wird noch Leute außer mir geben, und
die Sachen werden sich so wenden, daß sie doch gehen, so schütteln
sie die Köpfe, so ist ihnen alle Illusion benommen, und so haben
sie eine Empfindung, als wenn sie in die Komödie gingen, und
man ihnen plötzlich den Vorhang herunterließe. Ich kann meiner
Natur nach einmal nicht anders als so fortgehen, aber ich weiß
sehr gut, daß ich im öffentlichen Leben auch sicherlich diesen Nach-
teil davon erfahre.


104. Humboldt an Caroline                    London, 21. Julius 1818

Ich habe gestern einen Brief vom Departement bekommen,
allein nur von Lottum und kein Wort über Aachen. Die
Depesche, die mir vom Kanzler verheißen war, ist aus-
geblieben, und es ist in Lottums Brief gar nicht mehr die Rede

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