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[ Band 6 Brief 103: Humboldt an Caroline London, 17. Julius 1818 ]
sucht an England zurückdenken werde. Das Land hat so etwas, die Luft stimmt wehmütig und weich, und schon als ich das erste- mal wegging und die hohen weißen Kreidefelsen bei Dover, die man Shakespearefelsen nennt, aus dem Gesicht verlor, flößte es mir diese Empfindung ein. Nun ist eine Sache, die das Gefühl sehr verstärkt, hinzugekommen, die griechischen Kunstsachen. Es ist mir mit jedem Tag klarer, wie diese einen anziehen und an sich fesseln. Ich würde mit Mühe eine halbe Woche hingehen lassen, ohne sie zu sehen. Am letzten Sonnabend (an diesem Tage ist das Museum geschlossen, und wenn man also dann Zutritt hat, so ist man durchaus allein, selbst fast ohne alle Aufseher) war ich noch, und ohne etwas besonderes zu untersuchen, von zwölf bis vier dort. Ich bin bloß so unter den Sachen herumgegangen und habe einen unglaublichen Genuß gehabt. Wenn man auch alles davon gesehen zu haben glaubt, entdeckt man noch immer Neues. Der Theseus, der in Berlin in Gips ist, ist unendlich und wirklich unbegreiflich schön. Auch tut es sehr viel, daß nichts an der ganzen Sammlung ergänzt ist. Alles trägt dadurch mehr den Hauch der Vergangenheit an sich, und das Gefühl der Eigentümlichkeit des Volks, unter dem diese Sachen entstanden sind, vereinigt sich mit dem Eindruck der Kunst. Ich sagte Dir in meinem letzten Briefe, daß ich dem König wenigstens jetzt noch nicht direkt nach Rußland schreiben wollte. Doch habe ich an demselben Posttage einen Schritt in der Art dahin getan, zu dem mich ein zufälliger Umstand leitete. Witzleben *), der an Thiles **) Stelle vortragender Adjutant beim König ist, hatte mir angezeigt, daß er Generaladjutant und Generalmajor ge- worden ist. In meiner Antwort nun habe ich ihm gesagt, daß ich ——— *) Job v. Witzleben, geb. 1783, † 1837, seit 1817 Vorstand des Mi- litärkabinetts, 1833 Kriegsminister. **) Vgl. S. 118. 252