< zurück Inhalt vor >
[ Band 6 Brief 99: Caroline an Humboldt Nocera, 9. und 10. Julius 1818 ]
Wir waren unbeschreiblich ergriffen, Rom verlassen zu müssen, die Hausgenossen begleiteten uns noch bis nach der Storta. Hier wohne ich ganz leidlich, das beste hier ist unstreitig die Luft, die Gegend ist eine deutsche Berggegend mit sehr vielen Eichen, ein eingeschlossenes Tal, das höhere Berge umgeben, die aber nicht von ausgezeichneter Form sind. Die Kinder kommen sich beinah wie auf eine wüste Insel verschlagen vor. Die Natur hat etwas ungemein Rauhes, und dazu kommt noch, daß wir seit vier Tagen alle Nachmittage die furchtbarsten Gewitter haben. Die Wolken können sich aus dem engen Tal nicht wieder heraus- heben, und der Regen stürzt in Strömen herunter. Es ist so rauh, daß man wähnen könnte mitten im Herbst zu sein. Nocera wäre kein Ort für Dich, meine süße Seele, am Abend ist es förmlich kalt. Mein ganzes Studium geht darauf, mir die Kinder heiter zu erhalten. Mit Gabriellen geht es schon. Sie hat allein schon eine stille Freude an dem Verrinnen der Zeit und lebt auch viel in den Träumen ihres Herzens. Allein Caroline bedarf Zer- streuung von außen, nicht eben ein Welttreiben, aber doch eine Bewegung. Sie versinkt sonst leicht in hypochondrische Stimmung, und diese wirkt auf ihr physisches Befinden zurück. Du wirst aus meinen früheren Briefen gesehen haben, daß ich es mir auch schon als möglich gedacht habe, daß man Dich nach der Zusammenkunft in Aachen nach Frankfurt schickte. Nehme ich alles zusammen, so kommt mir dies sogar ungemein wahr- scheinlich vor. August schreibt mir vom 11. Juni von Tegel: »Des Vaters Wunsch, zurückzukehren, ist nun überall kein Geheim- nis mehr.« Er schreibt auch von dem Gerücht einer neuen Mi- nisterialveränderung, nach welcher Ladenberg Finanzminister, Kle- witz Chef der Generalkontrolle und Rother Schatzminister würde. Man könnte nur zu so häufigen Veränderungen sagen: »Büchsen rührt euch!« Der, der Gabriellen in den letzten Tagen bat, keinen 240