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[   Band 6 Brief 96:    Humboldt an Caroline    London, 23. Junius 1818   ]


Ich habe, süßes Herz, Deinen Brief vom 2. bekommen und
mich unendlich an der Beschreibung Deiner Spaziergänge in
L’Ariccia und Albano gefreut. Es ist der Ort und die Gegend,
nämlich die um die beiden Seen, die mir auf Erden die liebsten
und heiligsten sind. Ob ich sie nur je wiedersehen werde? Du
hattest, wie es scheint, den armen Casino seit des lieben Wilhelms
Tode nicht wieder betreten. Ich war einmal darin, wie Du in
Paris warst, allein seitdem, glaube ich, auch nicht weiter. Es ist
nichts so rührend, als die Stellen wieder zu sehen, wo man so
die Macht des Schicksals erfahren hat, und es ergreift noch mehr,
wenn man sie gleich nachher nicht fortdauernd bewohnt hat. Der
Tod der teuren Kinder hat uns selbst dem Boden geeignet, liebe
Li, der sie birgt, und ich sehe das immer als ein eigenes Geschick
an. Wir beide waren, noch ehe wir je es gesehen hatten, dem
Lande durch unsere innersten und eigentümlichsten Neigungen ge-
neigt und verwandt, und die Gegenstände, mit welchen das der
Fall ist, werden einem immer die Quelle des höchsten Glücks und
der tiefsten Schmerzen. Es haben gewiß viele Menschen Freude
am Altertum und selbst leidenschaftliche Neigung dazu. Aber
mit allem Verlangen, Gedanken und Gesinnungen darin leben,
wie ich, tut schwerlich sonst jemand auf Erden. Ich kann es nicht
anders beschreiben, als daß es mir eine wahre und die einzige
echte Heimat ist, alles, was in der Geschichte darauf folgt, ist mir
gleichgültig, und die Gegenwart kommt mir nie anders als eine
öde Wirklichkeit vor, von der mich die Neigung ewig entfernen
würde, wenn nicht eine traurige Notwendigkeit zwänge, darin ein-
zugreifen und sich ihrer anzunehmen. Ich kann auch nicht sagen,
daß es etwas Einzelnes ist, das mich in den Alten so fesselt, so
sehr ich ihre Kunst, ihre Dichtung, selbst vieles in ihren Sitten
und ihrer Lebensweise liebe. Es ist vielmehr der Geist im ganzen
und allgemeinen, seine Einfachheit und seine Fülle, seine Stärke

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