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[ Band 6 Brief 95: Caroline an Humboldt Rom, 20. Junius 1818 ]
16 warst Du in Frankfurt und ich in Karlsbad, 17 und 18 war ich hier. Nein, das ist zu viel, das kann nicht so bleiben. Ehe dies Jahr vollendet ist, hoffe ich, geliebte Seele, sind wir vereint und trennen uns nicht mehr, bis eine stärkere Gewalt uns trennt. Und das wird nicht lang sein. Du hast es oft gesagt, und ich ahnde die Wahrheit davon. Wir werden noch Jahre eines freund- lichen Alters zusammen leben und nicht entfernt voneinander sterben. O mögest Du, meine geliebte Seele, den übermorgenden Tag heiter in Dir verbringen. An mich, an uns denkst Du, das weiß ich, und sehnsuchtsvoll denke ich auch Deiner. Gestern empfing ich Deine Nr. 110 mit der Einlage von Theo- dors Hand. Seine Schriftzüge wiederzusehen ist mir schmerzlich und süß gewesen. Unwillkürlich liegt das Bild vergangener Jahre gleichsam aufgerollt vor mir. Alles, wie fern es ist, ist auch wieder so nah und so belebt durch den Anblick derselben Gegend, derselben Orte, wo das Schmerzlichste uns traf. Kann ich die Erinnerung des Tages, an dem ich Wilhelms schöne Augen brechen sah, von der von Theodors tödlicher Krankheit, seinem todesähnlichen Schlummer trennen? Wie nah war er mir damals, wie er im brennenden Fieber seinen Kopf an meinen Armen zu kühlen strebte, und wie fern ist er mir nun! Ich habe keinen Brief von ihm. Sage ihm nichts darüber, ein erzwungener Brief, der kann meinem Herzen nicht genügen. Deine große Güte und überschwengliche Nachsicht und das Glück, seine Mathilde zu besitzen, werden ihn vielleicht im Laufe der Zeit zurückführen. Ich will und muß es still abwarten. Gott Lob, daß Mathilde die ist, die sie scheint, gut, sanft und verständig, sie konnte das angenehme Äußere haben, das sie hat, und ein weniger liebes Gemüt. Ich habe Deinen Brief Nr. 109 bekommen, wie ich unten bei Thorwaldsen saß, der meine Büste macht. Denn, denk dir nur, nachdem ich seit der Rückkunft aus Neapel neun Monate hier bin, 230