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[ Band 6 Brief 94: Humboldt an Caroline London, 19. Junius 1818 ]
würde mit ihrer Eigentümlichkeit notwendig selbst etwas anderes daraus machen. Übrigens ist die Sache als Verfassung theoretisch nicht einmal ganz zu verteidigen, sondern hat Mängel, Nachteile und Gefahren genug. Sie ist aber wirklich zu einem Naturwerke geworden, ein Felsen, in dem sie steigen und sinken, sich manchmal so zusammenschieben, daß sie dadurch fester stehen und halten als sonst je möglich gewesen wäre, und dann ist in der Nation eine immer rege Vaterlandsliebe und ein gesunder Sinn, der keine Aus- artung weit kommen läßt. Auch ist durch das ganze Land durch der Einfluß der vornehmen Familien, die darum bei weitem nicht alle mit dem Hofe zusammenhängen, aber alle das große Interesse haben, daß Ordnung, Gesetzmäßigkeit und Stärke der Regierung erhalten wird, so groß und mächtig, daß doch alles eigentlich auf ihm beruht. Wie will man nun so etwas künstlich hervorbringen? Daher werden in Deutschland Stände nur immer dann gedeihen, wenn man sich so genau als möglich an altdeutsche Einrichtungen hält und nicht anders. 95. Caroline an Humboldt Rom, 20. Junius 1818 Übermorgen ist Dein Geburtstag, meine süße, liebe Seele, und wenn schon ich alle Tage mit gleicher Sehnsucht und Liebe an Dich denke, so ist es, als gäbe das Wieder- kehren eines solchen Tages, der einem alles Glück des Lebens zu- erst gegeben hat, der Sehnsucht einen doppelten Schwung. Wie lange überdem habe ich ihn nicht an Deiner Seite verlebt! Im Jahre 1813 warest Du schon in des Königs Hauptquartier gereist, im Jahre 14 sah ich Dich erst im Julius in Neufchâtel, im Jahre 15 kamst Du einige Tage darauf von Wien nach Berlin, im Jahre 229