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[ Band 6 Brief 94: Humboldt an Caroline London, 19. Junius 1818 ]
darauf, daß man ihm dabei die wahre Ehre erzeigt. Lords, die großen Einfluß in ihrer Provinz haben, setzen sehr viel darin, ihre Söhne oder andere Personen, die sie beschützen, wählen zu lassen und lassen es sich viel Geld kosten. Man hat Beispiele, daß ein einzelner Lord dafür bei einer einzelnen Wahl über 100000 Pfund ausgegeben hat. Darüber wird, besonders von Fremden, sehr oft als über eine Torheit gelacht. Allein ich finde es sehr hübsch. Wenn man es auch eine bloße Eitelkeit nennen will, was es doch nicht einmal ganz ist, so ist es immer eine der edelsten, Einfluß auf den Nationalanteil an der Regierung zu haben, und durch diesen Einfluß auch einer der Angesehensten und Geachtetsten in seiner Provinz zu sein. Das Geld wird übrigens nicht zu Be- stechungen verwendet, die durchaus verboten sind. Aber da viele, denen ein Wahlrecht zusteht, abwesend sind, so läßt man diese auf seine Kosten kommen, unterhält sie, gibt außerdem große Gast- gebote, wo die halbe Provinz gespeist wird, und was solcher Aus- gaben mehr sind. Ein Lord Lonsdale, der jetzt seine beiden Söhne ins Parlament bringen will, läßt Engländer auf seine Kosten aus Italien dazu holen. Diese Art der Volkswahlen ist wirklich das Einzige in jetziger Zeit, was noch den Einrichtungen derselben Art bei den Alten gleichkommt, und man kann sich danach einen anschaulichen Begriff davon bilden. Man kann sich aber auch nicht erwehren, dabei zu denken, wie wirklich kindisch es ist, wenn Menschen sich einbilden, daß man so etwas nach Deutschland oder irgendwohin verpflanzen kann. Der Geist, aus dem es entspringt, der es in seinen rohesten Ausartungen selbst noch immer mäßigt und in seine Schranken zurück- bringt, ist der Nation eigen, wie Nationen, ohne daß man einzelne bestimmte Rechenschaft davon geben kann, verschiedene Eigentüm- lichkeiten haben, und in keiner Zeit würden ganz dieselben Einrich- tungen anderwärts zu derselben Sache werden. Eine andere Nation 228