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[ Band 6 Brief 94: Humboldt an Caroline London, 19. Junius 1818 ]
lieder zum Lob oder Spott der verschiedenen Bewerber, und alle Anekdoten, die man nur von ihnen weiß oder erdichten kann, werden im Volke rings herum erzählt. Der Hunt, der übrigens gar nicht geachtet ist und kaum einige Stimmen kriegen wird, ist einige Tage lang auch noch außerdem auf einem Wagen mit seiner Fahne und von Pöbel begleitet in der Stadt herumgezogen. Er hält dann Reden, indem er auf den Wagensitz tritt, und am Ende zieht der Pöbel ihn, indem er die Pferde abspannt, nach Hause. Manchmal geschieht aber die Erwählung auch auf eine besonders ehrenvolle und wirklich schöne Art. So ist eben bei Westminster einem Mitgliede der Opposition im nun aufgelösten Parlament, Sir Samuel Romilly, von vielen Bürgern von Westminster an- geboten worden, sich in die Liste der Bewerber einschreiben zu lassen, hernach aber gar sich nicht selbst weder persönlich zu bemühen noch Geld auszugeben, da sie alles für ihn tun würden. Er ist also ruhig aufs Land gegangen, und es ist kaum ein Zweifel, daß er gewählt werden wird. Er ist auch bei weitem der geistreichste, gelehrteste und von Charakter geachtetste unter den Mitbewerbern, und eine der Reden, die er im diesjährigen Parlament hielt, unstrei- tig die beste, die gehalten worden ist. Die Wahl von Westminster ist auch dadurch sehr gesucht, daß Fox *) Parlamentsmitglied von Westminster war. Bei Fox’s Wahl ging es vor, was Du viel- leicht in der Zeit gehört hast, daß die Herzogin von Devonshire, als sie sich um Stimmen für Fox bewarb, in einer ganz gemeinen Schenke einem Fleischer einen Kuß gab, da er das als Preis für seine Stimme verlangte. Denn die vornehmsten Leute müssen, wenn sie gewählt sein wollen, vorher bei allen, die Stimmen haben, einzeln herumgehen und sie darum bitten, und da das Volk nur alle sechs, sieben Jahre dies Recht ausüben kann, so hält es sehr ——— *) Charles James Fox, geb. 1749, † 1806, Englands berühmter Par- lamentarier und Staatsmann. 227